Helmut Augustiniak
Beschlagnahmte Steine und eine Schwindelfirma

Arbeiter in einem Ketziner Tonstich im Jahr 1890
Nur etwa 50 Jahre reichten die Ketziner Tonvorkommen. So schnell wie die Ziegelproduktion entstanden war, war sie wieder verschwunden.

Wilhelm Kaselitz hatte Mitte des 19. jahrhunderts die Tonvorkommen im Ketziner Bruch entdeckt und die erste Ziegelei in Vorketzin gebaut. Zwischen 1860 bis 1863 entstanden 10 solcher Produktionsstätten in Ketzin. Zur Jahrhundertwende gab es zwölf. Vor allem Steine für die preußische Hauptstadt Berlin wurden hier produziert.

Nur 40 Jahre später gingen die Tonvorkommen zur Neige. Mit der Konsequenz, dass zwischen 1900 und 1910 das Sterben der Ziegeleien in der Havelregion begann. Parallel dazu entwickelte sich die Produktion von Kalksandsteinen als Alternative zu den Ziegeln. 1905 wurde die Produktion von Kalksandsteinen stark erhöht. 1906 wurden schon 500 Millionen Stück Kalksandsteine nach Berlin geliefert. In den zwanziger Jahren war mit der umfassenden Ziegelproduktion Schluss.

Der Schornstein eines Ringofens wird gesprengt                     Ringofen der Ziegelei Frensche
Für die Ziegeleibesitzer stellten selbst die stillgelegten Anlagen eine finanzielle Belastung dar. Sie versuchten, die Gebäude abzureißen und mit dem Verkauf der Abbruchsteine und der produktionsmittel den Verlust so gering wie möglich zu halten. Dem entgegen stand die Verordnung des Reichsministers für Volkswohlfahrt vom 14.04.1920 zur „Verhinderung des Abbruchs betriebsfähiger Ziegeleien“.
Vom Regierungspräsidenten in Potsdam und den Landräten wurde den Kommunen mitgeteilt: „Die Fälle häufen sich, dass Ziegeleien abgerissen werden sollen. Das ist zu verhindern, wenn dadurch der Kleinwohnungsbau beeinträchtigt wird.“
In Ketzin wurde die Polizeiverwaltung beauftragt, die örtlichen Zustände auf diesem Gebiet zu untersuchen. Der von der Polizei später vorgelegte Untersuchungsbericht enthielt folgende Erkenntnisse: "Bisher sind in Ketzin vier Ziegeleien abgerissen oder anderen Zwecken dienstbar gemacht worden. Da es in Ketzin keine Tonlager mehr gibt, war deren Betrieb unrentabel. Drei Betriebe könnten die Produktion wieder aufnehmen, wenn die regelmäßige Versorgung mit Kohlen zum Betrieb der Ringöfen gewährleistet wäre. Weiterhin ist das Risiko für die Unternehmer zur Weiterführung der Ziegeleien sehr groß, da durch das Volllaufen der vorhandenen Tonlöcher riesige Wassermassen entsorgt werden müssen."
Diese beiden Punkte führten dazu, dass die Wolffsche Ziegelei 1920 abgerissen wurde. Die Ziegelei von Kuhberg hätte nach dem Abpumpen des Wassers noch zehn bis zwölf Jahre produzieren können. Der Ton hätte dafür gereicht, aber die Herstellungskosten waren zu hoch. Schließlich wurde der Abriss genehmigt, weil kein anderer Investor die Anlagen übernehmen wollte.

Die größte Ziegelei war die von Wilhelm Hornemann. Sie lag aber so ungünstig in der Feldmark, dass der Abtransport der Steine zu teuer wurde. Auch dieser Abbruch wurde erlaubt. Allerdings wurden die Abbruchsteine beschlagnahmt. Sie mussten der Märkischen Heimstätten GmbH Berlin zur Verfügung  gestellt werden. Hornemann sollte sich mit der GmbH über den Preis einigen, was am Ende auch gelang. Andernfalls wären die Steine enteignet worden. Hornemann hätte nur eine Abfindung bekommen.

Fast zu einem Wirtschaftskrimi entwickelte sich das Geschehen um die Ziegelei von Anna Schulze aus Berlin. Die Firma Ollendorf & Co. hatte ohne Genehmigung mit dem Abriss der Gebäude begonnen und die noch vorhandenen Produktionsmittel in einer Berliner Zeitung per Annonce zum kauf angeboten. Der Regierungspräsident beauftragte die Ketziner Polizei "den Abbruch auf dem Zwangswege zu verhindern." Würde der Betrieb von der Eigentümerin nicht wieder aufgenommen werden können, sei die Ziegelei an den Ketziner Kaufmann Erich Hartz zu übergeben. Hartz erhielt von der Polizei den Auftrag, zu beobachten, was auf dem Betriebsgelände passiert. Dieser stellte fest, dass alle Arbeiter entlassen worden waren und die Firma Ollendorf die Kipploren verladen ließ, die für den Ziegeleibetrieb notwendig waren. Die Polizei griff ein und verbot, Produktionsmittel zu verkaufen. Bei Zuwiderhandlungen drohte der der Regierungspräsident mit Zwangsgeld und Haft. Bei den Ziegeleibesitzern war Ollendorf und Co. als Schwindelfirma bekannt. Sie kaufte Betriebe mit der Zusicherung auf, diese weiterführen zu wollen. Tatsächlich aber begann man sofort mit dem Verkauf der Produktionsmittel.

Da die Polizei mehrfach gegen die Firma in Ketzin vorgegangen war, teilte deren Rechtsanwalt dem Regierungspräsidenten mit, dass Ollendorf und der Ketziner Ziegeleibesitzer Jöllenbeck die Ziegelei zum Zwecke der Produktion gekauft hätten, sie aber nicht produzieren könnten, weil die Behörden das ständig verhindern würden. Der Regierungspräsident hob alle Zwangsmaßnahmen auf. Einen Monat später beschlagnahmte er die Ziegelei, nachdem der Ketziner Magistrat festgestellt hatte, dass die Ziegelei zum Verkauf angeboten wurde. Erich Hartz wurde neuer Besitzer. Aber auch er musste aufgeben. Von einst 13 Ziegeleien in Ketzin produzierte als einzige die von Jöllenbeck bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. 

Noch heute steht die Ruine des Arbeiterhauses der Ziegelei Jöllenbeck in Ketzin-Brückenkopf
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