Helmut Augustiniak | |
Die großen Brände in Ketzin | |
Reparaturen an Kirchtürmen sind meist verbunden mit der Öffnung des
Kirchturmknopfes. Hier liegen traditionsgemäß Relikte aus der
Vergangenheit, Dokumente der Pfarrer, Berichte der Bürgermeister und
anderer Personen sowie sehr
oft auch Münzen. Nikolaus Wredo war Pastor in Ketzin und Paretz von 1698 bis 1748. Die
Paretzer Kirche war zu bis 1860 eine Filialkirche von Ketzin. Zum Brand
von 1726 schrieb er folgendes: „Dann anno 1726 auf dem Sonntag der
heiligen Dreifaltigkeit,
nach vollbrachtem nachmittags Gottesdienst, entstand ein großes
Ungewitter und brannte damals alle diejenigen Nachbarn ganz ab, deren
Namen in der Spezifikation unterstrichen sind, durch Anzündung des
Wetters; das Feuer ging gleich hinter der Kirche in den Häusern auf,
deren Namen mit einer
doppelten Linie unterstrichen
sind“. Wredo hatte dem Dokument eine Einwohnerliste beigelegt. Der
Prediger führte das Feuer auf die Strafe Gottes zurück, die die
Ketziner wegen ihres oft unchristlichen Lebenswandels traf. Von 64 Häusern
brannten 17 ab, 133 Menschen verloren ihre Wohnung. Ketzin hatte zu
dieser Zeit nach Angaben des Pastors Wredo 564 Einwohner. Im Jahre 1854 musste der Kirchturm in Ketzin
wieder repariert werden. In dem Dokument, dass der Superintendent Mertz
verfasste, beschrieb er auch die Feuerbrünste von 1840, 1847 und
1849. „Am 28. März 1840 abends 7.00 Uhr brach hier eine Feuerbrunst
aus, womit der liebe Gott diesen Ort seit vielen Jahren verschont hatte.
Das Feuer war jedenfalls angelegt, denn es kam zugleich in einem
Kuhstall des Mühlehnmeisters und Ratsmanns
Wuga und in der Scheune des Großbürgers und Kirchenvorstehers
Kuhlmey auf. Als das erste zuerst bemerkt wurde, dachten wir mutig ans Löschen,
aber als plötzlich auch diese Scheune mitten in Ort aufloderte, lief
alles wehklagend auseinander und bei mäßigem Nordwind brannte der
ganze Stadtteil ab, der unter dem Wind lag..... Ein Drittel der Stadt
lag in Asche. 6 Ackerbürger, 8 Kleinbürger, 8 Bürger 3. und 4. Klasse
und 18 Einlieger. Das war eine Not und ein Wehklagen. Aber der Herr
unser Gott half und erweckte gute Menschen, die uns beistanden: Über
1600 Taler und viele Lebensbedürfnisse konnten verteilt werden. Der
schon sehr kranke König Friedrich Wilhelm III. schenkte uns 500 Taler.
Das versteht sich, dass viel Mangel, Dürftigkeit und Elend dadurch
entstand und das auch die geistige Not und eindringende Zuchtlosigkeit
sehr zunahm. Eine äußere Folge
des Brandes war der verschönerte Aufbau der Stadt und die Anlage der
neuen schönen Straße vom Etziner Ein- bis zum Paretzer Ausgang, wo
damals 6 Großbürger aufbauten. Auf das wir nun
Friede in dem Herrn gehabt hätten und uns des Bestehenden hätten
freuen mögen! Aber im Jahre 1847 am 8. April abends 7.00
Uhr, brach eine zweite Feuerbrunst
aus, fast ebenso groß als jene erste. Das Feuer, leider Gottes
vielleicht angelegt, entstand in der Scheune meines Nachbarn, des Großbürgers
Waßmannsdorf, dicht neben meinen Wirtschaftsgebäuden. ( In seinen
weiteren Schilderungen wunderte sich der Pastor, dass Häuser brannten,
die gar nicht in der Gefahrenzone lagen.) Durch Spenden konnte auch
diesmal die größte Not der Betroffenen gelindert werden. Leider wiederholte sich das Feuerunglück
zum 3.Mal am 5. Mai 1849, indem abends 7.00 Uhr in der Dachstube des
Brauers Voigt, meines Nachbarn...... das Malz Feuer fasste und vor
meinen Augen aus dem Fenster heraus brannte, das Rohrdach erfasste und
in wenigen Minuten dies Haus und die gegenüberliegenden beiden Großbürgergehöfte
.....
in Flammen setzte. Alsdann brannte auch noch rechts der Kleinbürger
Paetsch (bestimmt war es nur sein Haus) und links das Heusersche
Familienhaus ab. Die Kirche war nicht in Gefahr, weil sie unter dem Wind
stand. Aber um 11 Uhr nachts fing plötzlich die Scheune meines Nachbarn
zur Linken (Thieme) an inwendig zu brennen, wohin es (das Feuer) offenbar
getragen sein musste. Nun lag die Kirche und Pfarre in großer Gefahr
und unter Wind. Alle vier Gebäude der Pfarre brannten an
und leider zu meinem größten Schrecken auch die Kirche, deren Fenster
auf dem östlichen Giebel Feuer fassten und selbst schon das Orgelchor,
dennoch gelang es die Kirche und sämtliche Pfarrgebäude zu retten. Es
brannte aber ferner außer Thieme noch Wilhelm Hornemann ab. Zum größten
Schrecken aller nun schon sehr aufgeregten Gemüter ward 8 Tage darauf
in dem Stall von Friedrich Hornemann Feuer angelegt, aber gelöscht,
jedoch 8 Tage später am 18. Mai auf dem Heuboden mittags 2 Uhr als Herr
und Knecht auf dem Felde waren und diesmal brannte auch dies Gehöft und
Wilhelm Hornemanns Familienhaus ab. Du kannst denken, lieber Leser, welchen
Eindruck diese beiden letzten Feuer auf alle Rechtschaffenden und
Frommen im Ort und in der Umgebung machten. Wir schämten uns und demütigten
uns tief vor Gott und ich hatte nicht den Mut, Freunde um Unterstützung
für die Dürftigen anzurufen, wie früher. Eine
wohltätige und notwendige Einrichtung aber konnte durch dies
Unglück beschafft werden, die des neuen Kirchhofs, der nun dicht bei
der Kirche mitten in der Stadt ist, da wir sonst weit hinaus und auf
sehr schlimmen Weg unsere lieben Toten hätten tragen müssen“. Soweit die Schilderungen von Superintendent
Mertz. Was er nicht aufschrieb war die Tatsache, dass die
Brandursachen von der Königlichen Staatsanwaltschaft untersucht
wurden. Schuldige wurden nicht ermittelt und die Verfahren eingestellt.
Die „Städte Feuer Societäts Haupt Kaße“
wurde angewiesen für die Feuer am 5. Und 18. Mai 25 460
Reichstaler auszuzahlen. Die beiden Hornemanns erhielten zusammen davon
6646 Reichstaler. Für sie hatten sich die Brände gelohnt, denn sie
bauten neue große Gehöfte am damaligen Rand der Stadt auf. Neben dem Haus Nr. 82, das dem Ackerbürger
Wilhelm Hornemann gehörte, befand sich sehr wahrscheinlich das Haus Nr.
81, in dem der Schuhmachermeister Ferdinand Hahn wohnte. Sein Haus
wurde auch beschädigt und er erhielt eine Entschädigung von 15
Reichtalern. Der älteste Sohn des Schumachers, der am 15. Februar 1846
hier geboren wurde, wurde einer der bekanntesten Missionare der Goßner
Mission in Indien. Seinen Namen erhält am 29. Oktober 2006 das
evangelische Gemeindezentrum in Ketzin.
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Haus der Familie Melzow, erbaut 1840 | |
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