Helmut Augustiniak
Die großen Brände in Ketzin

Reparaturen an Kirchtürmen sind meist verbunden mit der Öffnung des Kirchturmknopfes. Hier liegen traditionsgemäß Relikte aus der Vergangenheit, Dokumente der Pfarrer, Berichte der Bürgermeister und anderer Personen sowie  sehr oft auch Münzen. Bei der letzten Öffnung des Kirchturmknopfes der Ketziner evangelischen Kirche, fanden sich Dokumente von 1728 bis 1910. Daraus sollen die Berichte des Pastors  Wredo und des Superintendenten Mertz  über die großen Brände von 1726 sowie 1840, 1847 und 1849  in Ketzin als Grundlage für diesen Artikel genommen werden. Sie waren in altdeutscher Schrift und in Sütterlin geschrieben.

Nikolaus Wredo war Pastor in Ketzin und Paretz von 1698 bis 1748. Die Paretzer Kirche war zu bis 1860 eine Filialkirche von Ketzin. Zum Brand von 1726 schrieb er folgendes: „Dann anno 1726 auf dem Sonntag der heiligen  Dreifaltigkeit, nach vollbrachtem nachmittags Gottesdienst, entstand ein großes Ungewitter und brannte damals alle diejenigen Nachbarn ganz ab, deren Namen in der Spezifikation unterstrichen sind, durch Anzündung des Wetters; das Feuer ging gleich hinter der Kirche in den Häusern auf, deren  Namen mit einer doppelten Linie  unterstrichen sind“. Wredo hatte dem Dokument eine Einwohnerliste beigelegt. Der Prediger führte das Feuer auf die Strafe Gottes zurück, die die Ketziner wegen ihres oft unchristlichen Lebenswandels traf. Von 64 Häusern brannten 17 ab, 133 Menschen verloren ihre Wohnung. Ketzin hatte zu dieser Zeit nach Angaben des Pastors Wredo 564 Einwohner. Auf Bitten der Einwohner gewährte der König Friedrich Wilhelm I. Hilfe beim Aufbau der niedergebrannten Gehöfte und erließ den Betroffenen für zwei Jahre die Steuern.

Im Jahre 1854 musste der Kirchturm in Ketzin wieder repariert werden. In dem Dokument, dass der Superintendent Mertz  verfasste, beschrieb er auch die Feuerbrünste von 1840, 1847 und 1849. „Am 28. März 1840 abends 7.00 Uhr brach hier eine Feuerbrunst aus, womit der liebe Gott diesen Ort seit vielen Jahren verschont hatte. Das Feuer war jedenfalls angelegt, denn es kam zugleich in einem Kuhstall des Mühlehnmeisters und Ratsmanns  Wuga und in der Scheune des Großbürgers und Kirchenvorstehers Kuhlmey auf. Als das erste zuerst bemerkt wurde, dachten wir mutig ans Löschen, aber als plötzlich auch diese Scheune mitten in Ort aufloderte, lief alles wehklagend auseinander und bei mäßigem Nordwind brannte der ganze Stadtteil ab, der unter dem Wind lag..... Ein Drittel der Stadt lag in Asche. 6 Ackerbürger, 8 Kleinbürger, 8 Bürger 3. und 4. Klasse und 18 Einlieger. Das war eine Not und ein Wehklagen. Aber der Herr unser Gott half und erweckte gute Menschen, die uns beistanden: Über 1600 Taler und viele Lebensbedürfnisse konnten verteilt werden. Der schon sehr kranke König Friedrich Wilhelm III. schenkte uns 500 Taler. Das versteht sich, dass viel Mangel, Dürftigkeit und Elend dadurch entstand und das auch die geistige Not und eindringende Zuchtlosigkeit sehr zunahm. Eine äußere Folge des Brandes war der verschönerte Aufbau der Stadt und die Anlage der neuen schönen Straße vom Etziner Ein- bis zum Paretzer Ausgang, wo damals 6 Großbürger aufbauten.

Auf das wir nun  Friede in dem Herrn gehabt hätten und uns des Bestehenden hätten freuen mögen!

Aber im Jahre 1847 am 8. April abends 7.00 Uhr, brach eine zweite Feuerbrunst  aus, fast ebenso groß als jene erste. Das Feuer, leider Gottes vielleicht angelegt, entstand in der Scheune meines Nachbarn, des Großbürgers Waßmannsdorf, dicht neben meinen Wirtschaftsgebäuden. ( In seinen weiteren Schilderungen wunderte sich der Pastor, dass Häuser brannten, die gar nicht in der Gefahrenzone lagen.) Durch Spenden konnte auch diesmal die größte Not der Betroffenen gelindert werden.

Leider wiederholte sich das Feuerunglück zum 3.Mal am 5. Mai 1849, indem abends 7.00 Uhr in der Dachstube des Brauers Voigt, meines Nachbarn...... das Malz Feuer fasste und vor meinen Augen aus dem Fenster heraus brannte, das Rohrdach erfasste und in wenigen Minuten dies Haus und die gegenüberliegenden beiden Großbürgergehöfte  .....  in Flammen setzte. Alsdann brannte auch noch rechts der Kleinbürger Paetsch (bestimmt war es nur sein Haus) und links das Heusersche Familienhaus ab. Die Kirche war nicht in Gefahr, weil sie unter dem Wind stand. Aber um 11 Uhr nachts fing plötzlich die Scheune meines Nachbarn zur Linken (Thieme) an inwendig zu brennen, wohin es (das Feuer) offenbar getragen sein musste. Nun lag die Kirche und Pfarre in großer Gefahr und unter Wind.

Alle vier Gebäude der Pfarre brannten an und leider zu meinem größten Schrecken auch die Kirche, deren Fenster auf dem östlichen Giebel Feuer fassten und selbst schon das Orgelchor, dennoch gelang es die Kirche und sämtliche Pfarrgebäude zu retten. Es brannte aber ferner außer Thieme noch Wilhelm Hornemann ab. Zum größten Schrecken aller nun schon sehr aufgeregten Gemüter ward 8 Tage darauf in dem Stall von Friedrich Hornemann Feuer angelegt, aber gelöscht, jedoch 8 Tage später am 18. Mai auf dem Heuboden mittags 2 Uhr als Herr und Knecht auf dem Felde waren und diesmal brannte auch dies Gehöft und Wilhelm Hornemanns Familienhaus ab.

Du kannst denken, lieber Leser, welchen Eindruck diese beiden letzten Feuer auf alle Rechtschaffenden und Frommen im Ort und in der Umgebung machten. Wir schämten uns und demütigten uns tief vor Gott und ich hatte nicht den Mut, Freunde um Unterstützung für die Dürftigen anzurufen, wie früher. Eine  wohltätige und notwendige Einrichtung aber konnte durch dies Unglück beschafft werden, die des neuen Kirchhofs, der nun dicht bei der Kirche mitten in der Stadt ist, da wir sonst weit hinaus und auf sehr schlimmen Weg unsere lieben Toten hätten tragen müssen“.

Soweit die Schilderungen von Superintendent Mertz. Was er nicht aufschrieb war die Tatsache, dass die  Brandursachen von der Königlichen Staatsanwaltschaft untersucht wurden. Schuldige wurden nicht ermittelt und die Verfahren eingestellt. Die „Städte Feuer Societäts Haupt Kaße“  wurde angewiesen für die Feuer am 5. Und 18. Mai 25 460 Reichstaler auszuzahlen. Die beiden Hornemanns erhielten zusammen davon 6646 Reichstaler. Für sie hatten sich die Brände gelohnt, denn sie bauten neue große Gehöfte am damaligen Rand der Stadt auf.

Neben dem Haus Nr. 82, das dem Ackerbürger Wilhelm Hornemann gehörte, befand sich sehr wahrscheinlich das Haus Nr. 81, in  dem der Schuhmachermeister Ferdinand Hahn wohnte. Sein Haus wurde auch beschädigt und er erhielt eine Entschädigung von 15 Reichtalern. Der älteste Sohn des Schumachers, der am 15. Februar 1846 hier geboren wurde, wurde einer der bekanntesten Missionare der Goßner Mission in Indien. Seinen Namen erhält am 29. Oktober 2006  das evangelische Gemeindezentrum in Ketzin. 

 
Haus der Familie Melzow, erbaut 1840    
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