Helmut Augustiniak
Die Freitruppen Friedrich II.

Soldaten aus Freibataillonen, Holzschnitt von Adolph von Menzel
Vor 250 Jahren gingen die Schlesischen Kriege Friedrich II. König von Preußen zu Ende. (Der Freistaat Sachsen erinnert mit Vorträgen und Ausstellungen an dieses Ereignis.) Der König wurde danach „der Große“ genannt. Für die Bevölkerung brachten die Kriege sowohl in Preußen als auch in den gegnerischen Staaten Verwüstungen, Hunger, Krankheiten und Tod. Es herrschte ein allgemeines Elend.

Natürlich gab es auch „Kriegsgewinnler“. Zwei Herrenhäuser im Havelland hatten Erbauer, die ihre Besitzungen aus Mitteln errichteten, die sie durch Plünderungen in dem Siebenjährige Krieg Friedrich II. erwarben. Das ist einmal das Schloss Sakrow, erbaut von Johann Ludwig Graf von Hordt, und zum anderen das Herrenhaus im kleinen Ort Wassersuppe bei Rathenow, erbaut von Karl Theophil Guichard, gen. Quintus Icilius. Beides waren Kommandeure einer neuen „Waffengattung“ im Heer des preußischen Königs - den Freitruppen. 
Johann Ludwig Graf von Hordt war ein schwedischer Adliger und weit in der Welt herumgekommen. Er diente in verschiedenen Armeen und hatte somit ausreichend Kriegserfahrung gesammelt, um als Kommandeur in der preußischen Armee eingestellt zu werden.
Karl Theophil Guichard stammte aus einer Hugenottenfamilie, die in Magdeburg ansässig war. Er studierte Theologie und alte Sprachen. Als sich seine Ambitionen auf eine Professur an der Leidener Universität nicht erfüllten, wurde er Soldat. Aufgrund seiner hohen Bildung war er in den engeren Vertrautenkreis des Königs gerückt. Er ernannte ihn zum Hauptmann und Flügeladjutanten. Geadelte wurde er, als er in einer Gesprächsrunde den richtigen Namen eines römischen Hundertschaftsführers nennen konnte und erhielt vom König den Namen Quintus Icilius, den er sein ganzes Leben lang tragen musste. Wenn der König seine gehässigen Stunden hatte, nannte er ihn auch Baron von Wassersuppe.

Die neue Waffengattung im preußischen Heer waren die Freitruppen. Über sie ist wenig bekannt. Sie entstanden mit Beginn der Kriege und wurden nach deren Ende wieder aufgelöst oder zum kleineren Teil in die regulären Regimenter integriert.
Friedrich II. beugte sich nur widerwillig den Erfordernissen der modernen Kriegsführung, neben seinen gut ausgebildeten Regimentern für den „großen Krieg“ auch Truppen für den „kleinen Krieg“ aufzustellen. Als großer Krieg galt hier die Kampfweise der regulären Truppen in starrer Kampfaufstellung, vorgeschriebener Marschordnung, Lagerung und Verpflegung aus Magazinen. Diese Truppen waren nur in mathematisch berechneter Schlachtaufstellung und in ebenem Gelände zu gebrauchen. Alles, was diese Voraussetzungen störte, musste soweit wie möglich von den Feldherren vermieden werden. Den leichten Truppen eröffnete sich ein reiches Betätigungsfeld. Sie wurden nicht im großen Krieg eingesetzt, sondern sie hatten die Aufgabe, den Gegner zu stören.
In den meisten europäischen Heeren gab es solche Truppen schon. Vor allem Russland, Österreich und Frankreich hatten ansehnliche Verbände dieser Waffengattung im Feld.
Die österreichischen leichten Truppen fügten dem preußischen Korps in Böhmen eine empfindliche Niederlage zu. Sie unterbrachen die Nachschubverbindungen der Preußen, verwüsteten Versorgungslager und kämpften kleinere Verbände der Armee Friedrich II. nieder. Die Preußen wurden zum Rückzug gezwungen.
Friedrich musste nun einsehen, dass in einem modernen Krieg leichte Truppen notwendig waren. Da die Regimenter für den Kleinkrieg zu groß waren, wurden Freibataillone gebildet. Diese Bezeichnung übertrug sich im Laufe des Siebenjährigen Krieges auf alle irregulären Truppen. In der preußischen Armee verweigerte der größte Teil des Offizierskorps den Einsatz in den Freitruppen aufgrund ihres schlechten Rufes. Der König sah sich gezwungen, ausländische Kommandeure anzuwerben. 
Neben diesen Personen traten vagabundierende adlige Offiziere in die Freitruppen ein und Offiziere, die keine Karrierechancen in den regulären Truppen hatten und aufgrund von Unfähigkeit oder Straffälligkeit ein anderes Auskommen für sich suchen mussten. Aber auch bürgerliche Offiziere, die kaum Chancen hatten in der regulären Armee zu dienen, traten den Freibataillonen bei. Der Offizierkorps der Freitruppen wurde von den Offizieren der Linienregimenter, die fast zu 100 % Adlige waren, verachtet. Freitruppenoffiziere standen in der Regel außerhalb des preußischen Offizierskorps. Nicht nur weil sie keinen Adelstitel trugen, sondern weil ihre Herkunft und ihr Lebensweg oft im Dunkeln lagen.
In noch stärkerem Maße galt das für die Mannschaft. Hier dienten Verbrecher, Deserteure aus anderen Armeen, Vagabunden, die sich keiner strengen Disziplin unterwerfen wollten und Kriegsgefangene, die von den Preußen in die Freibataillone gepresst wurden. Alle diese Menschen wollten die lockere Disziplin in den Freitruppen für sich nutzen, denn hier war plündern nicht nur erlaubt, sondern wurde befohlen. 
Das krasseste Beispiel dafür ist die Plünderung des Schlosses Hubertusburg. Nachdem General Friedrich Karl von Saldern den Befehl zur Plünderung verweigert hatte, bekam Quintus Icilius diese Aufgabe. „In wenigen Stunden war dieses Geschäft geendigt, und zwar mit solchem Eifer, dass nur die nackten Mauern übrig blieben …“ Der König schenkte ihm das Schloss. Aus dem Gewinn des Schlossverkaufes und den durch Plünderungen erworbenen Reichtümern konnte sich Quintus Icilius das Gut Wassersuppe kaufen und hier ein Herrenhaus errichten. 
Die vielschichtigen Tätigkeiten der Freitruppen, wie Streifzüge in Feindesland, eintreiben von Kontributionen, Verfolgung von Deserteuren, gewaltsame Werbung von Soldaten für die eigenen Formationen usw. führten schon zu Beginn ihres Bestehens zu verbrecherischem Handeln. Erpressung der Bevölkerung zur Erlangung von Geld und Kostbarkeiten waren besonders bei den Offizieren Soldatenalltag. Die Freitruppen des Siebenjährigen Krieges wurden pauschal als undisziplinierte Banden angesehen.
 
Während der Zeit Friedrich II. wurden die Freitruppen nach dem Krieg aufgelöst. Die Inländer wurden entlassen, die Ausländer teilweise in reguläre Regimenter aufgenommen. Die Bedeutung der Kampfesweise der Freibataillone, jetzt gebildet aus vaterlandsliebenden Freiwilligen, wurde erst in den Befreiungskriegen 1813 – 1815 mit der Änderung der Kriegsführung und der Auflösung der Linienregimenter erkannt. 


Quelle:
„Die Tätigkeit der preußischen Freibataillone in den beiden ersten Feldzügen des siebenjährigen Krieges (1756 - !758)“ Inauguraldissertation von Kurt Schmidt an der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin 1911

Zur Hauptseite