Helmut Augustiniak
Der Ketziner Riesenhirsch
Das Hirschgeweih wurde in der Tongrube des Ziegeleibesitzers Dietrich in Phöben gefunden. Es war lange Zeit das Prunkstück des Stadtmuseums.

So wie auf diesem Gemälde könnte der Riesenhirsch ausgesehen haben, der einst in Ketzin herumzog
Der Abbau des Tons in den Bruchgebieten in und um Ketzin/Havel brachte nicht nur eine Bevölkerungsexplosion in der Stadt und den umliegenden Dörfern hervor, sondern verpestete auch die Luft durch den Qualm, der aus den Ziegeleischornsteinen kam. Er brachte den Ziegeleibesitzern Reichtum und den Ziegeleiarbeitern grade soviel Geld, dass sie in ihren Elendsquartieren überleben konnten.
Für geschichtsinteressierte Zeitgenossen und Archäologen war es die Hochzeit ihres Hobbys bzw. ihrer Arbeit. Der Tonabbau brachte Tausende prähistorische Fundstücke hervor. Abhängig vom Interesse des jeweiligen Tongrubenbesitzers an der Bewahrung dieser Fundstücke wurden sie der Wissenschaft zugänglich gemacht oder waren der Grundstock für lokale Museen. Oft störten sie den Arbeitsablauf in den Gruben und wurden deshalb zerstört oder im Abraum begraben.

1911 wurde auf der Grundlage von 3000 prähistorischen Fundstücken auf Initiative des Bürgermeisters Otto Zesch das Ketziner Stadtmuseum gegründet. Prunkstück im Museum war das Geweih eines Riesenhirschen. Das Geweih wurde in der Tongrube des Ketziner Ziegeleibesitzers Dietrich in Phöben gefunden. In der Umgebung dieses Skelettes lagen auch Reste vom Mammut, Rhinozeros, Bison und Urpferd. Der Riesenhirsch war ein Tier von ca. 2 m Rückenhöhe, trug ein Geweih ähnlich das der Damhirsche, nur um das Vielfache größer. Die Breite des Geweihs betrug von Spitze zu Spitze gemessen, 3,15 m. Der massive Teil der Schaufel war über einen Meter lang und 75 cm breit, mit bis zu 35 cm langen Enden. Der Umfang der Stangen an der Basis betrug 40 cm. Auffallend sind die schaufelförmigen Augensprossen, die die Augenöffnungen nach vorn so decken, dass das Tier ohne den Kopf zu drehen oder empor zu heben, nur seitwärts sehen konnte. 
Diese Hirschart lebte vor 400 000 bis 9 500 Jahren in weiten Teilen des heutigen Europas und ernährte sich von Gräsern und Büschen. Nach neuesten Forschungen lebte sie noch 3000 Jahre länger in Sibirien. 
Bis Mitte der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts befand sich so ein Geweih im jetzigen Kultur- und Tourismuszentrum Ketzin/Havel. Bis 1945 war das Haus Museum und danach wurde es aufgrund der wachsenden Kinderzahl als Schule gebraucht. Viele Male wurden die Museumsstücke in die verschiedensten Gebäude der Stadt gebracht. Dabei schrumpfte ihre Zahl vor allem durch Diebstahl und unsachgemäße Behandlung beim Transport und beim Einlagern in den neuen Räumen. Außerdem gab es Anordnungen übergeordneter Instanzen, wertvolle und seltene Exemplare an größere Museen abzugeben. Durch diese Wirren verschwand auch das Geweih des Riesenhirschen.
Nachforschungen in den Naturkundemuseen in Potsdam und Berlin sowie im Märkischen Museum Berlin zum Verbleib des Hirschgeweihs führten zu keinem Ergebnis. Man muss wohl der Meinung einer Mitarbeiterin des Museums für Naturkunde Berlin folgen, die der Ansicht ist, dass dieses Geweih in irgendeiner Wohnung als Hutständer genutzt wird.
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