Georg Franke          Hans-Joachim Wallert

Sie möchten dieses Büchlein lesen? So sitzen sie bestimmt in ihrem gemütlichen Sessel, drehen den Docht ihrer Petroleumlampe etwas höher, oder haben sie noch eine Öllampe? Füllt ihre Frau gerade glühende Kohlen in das Bügeleisen, damit sie morgen in der Früh ein glattes Hemd anziehen können? Ist der Nachbar nicht gerade mit der Laterne am Haus vorbei gegangen?
Wenn dem nicht so ist und alles nur dem Drücken einiger Knöpfe und dem Betätigen einiger Regler bedurfte, denkt wohl kaum einer an das alltägliche Leben unserer Großeltern. Selbst die eigenen Kinder glauben manchmal nicht, wie es noch vor 30 oder 40 Jahren war. Werfen wir einen Blick in die Geschichte so erfahren wir, dass das „finstere Mittelalter“ vielleicht noch gar nicht so lange her ist. Im Land Brandenburg war es erst der Große Kurfürst, der ein Edikt heraus gab, das anordnete, dass „… in Städten des Nachts jedes dritte Haus eine Laterne herauszuhängen hätte“. In der Chronik der Stadt Ketzin, die der Lehrer Fritz Hummel verfasste, finden wir einige Hinweise, wie es früher war. So gab es hier noch bis 1878 „Rüböllampen“, die die Straßen beleuchten sollten. Erst im Herbst des Jahres wurden die ersten Petroleumlampen aufgestellt. Für das abendliche Anzünden, morgendliche Löschen und die Wartung erhielt der Klempnermeister Speer monatlich 22,50 Mark. Aber schon nach einem Jahr übernahm der „Arbeitsmann“, wie er in den Ratsunterlagen bezeichnet wird, Karl Wehe die Aufgabe. In hellen Sommernächten und bei Vollmond hatte Wehe frei. Denn die Leuchtperiode dauerte nur von Oktober bis März. Erst nach dem der Bürger-Verein am 24. September 1885 eine Eingabe an den Magistrat machte, mit der Bitte, die Laternen auch im April und September leuchten zu lassen, wurde diese Periode verlängert. Im Januar 1892 bekam Ketzin neue Petroleumlaternen. Da auch diese bei Mondschein nicht leuchteten, bat der „Verein für das öffentliche Wohl“ diese auch in dunklen Vollmondnächten zu entzünden. Bis zum 1. November 1899 waren diese Leuchten in Betrieb und wurden vom Schuldiener Hellmoldt betreut. Alles änderte sich als eine Gasanstalt erbaut wurde. Dessen Geschichte möchten wir Ihnen erzählen.

Der Saal des „Deutschen Hauses“ in Ketzin war am Abend des 19. Oktober 1898 zum Bersten gefüllt. Ein Mann aus Berlin sollte kommen und über das neue Gaslicht sprechen, von einer Firma, die eine Gasbeleuchtung bauen sollte. Auch kochen und sogar heizen sollte man jetzt mit Gas können.
Gasbeleuchtung! - so wie in Berlin und Potsdam. Die Nächte sollten heller werden in der kleinen havelländischen Stadt. Da warf das neue Jahrhundert keine Schatten voraus, sondern einen hellen Schein. Man wollte auch hier teilhaben an den neuen technischen Errungenschaften, die in den letzten Jahren in fast ganz Deutschland von sich Reden machten, neue Firmen aus dem Nichts zu erschaffen schienen und Arbeit für Tausende mit sich brachten. Der Klempner Pintsch aus Berlin hatte in einer Kellerwerkstatt angefangen und hatte nun ein Werk in Berlin und ein zweites in Fürstenwalde. Die Zukunft mit ihren Neuerungen schien nichts mehr aufzuhalten. Und so warteten fast 200 Bürger mit ihren Ehefrauen im Saal des „Deutschen Hauses“ auf Herrn Ingenieur Rauser. Er war extra aus Berlin gekommen, um den Leuten die Vorzüge des Stadtgases vorzuführen.
Stadtgas, das heißt Steinkohlengas, war schon vor über hundert Jahren entdeckt worden und wie viele „Erfindungen“ fast gleichzeitig in mehreren Ländern. Ein Würzburger Apotheker sprach schon um 1740 von brennbarer Luft. Das direkte Stadtgas, das bei der unter Luftabschluss auf 1200° Celsius stattfindenden Verbrennung von Steinkohle entsteht, geht aber hauptsächlich auf den Engländer William Murdock, den Franzosen Argand und den Deutschen Wilhelm August Lampadius zurück. Dieser hatte als Professor an der Freiberger Bergakademie schon vor 1800 erste Versuche unternommen und beleuchtete 1811 sein Haus in der Freiberger Fischergasse mit einer Gaslaterne. Durch die Kleinstaaterei dieser Zeit und die Wirren, die Napoleons Feldzüge in Deutschland hinterlassen hatten, kam die deutsche Erfindung leider nicht so zügig zum Einsatz. So kam es, dass die erste Großstadt in Deutschland, Hannover, ihre Gasbeleuchtung von der englischen Imperial-Gas-Association bauen und betreuen ließ. Auch das 1824 erbaute erste Gaswerk der Hauptstadt Preußens erbauten Engländer. Aber bald bemerkte man auch in Deutschland die Ressourcen, die in diesem neuen Medium steckten. Erst die Gründung des Deutschen Reiches gab den Anschub der Industrialisierung. Hinzu kamen im Gasbereich die Erfindung von Hill und des Auer-Lichts, das die Helligkeitsausbeute wesentlich erhöhte.
Eine dieser vielen Firmen, J. Goetz und Konrad, die in enger Verbindung mit der Nauener Firma Lindner stand, die später die Bauausführung übernehmen sollte, hatte nun einen ihrer Ingenieure entsandt, um den Ketzinern die Vorzüge einer eigenen Gasanstalt vorzustellen und vorzuführen. Auch die Firma Carl Francke hatte sich um den Auftrag bemüht, die laut Schreiben vom 8. Dezember 1898 „von befreundeter Seite“ vom Ketziner Vorhaben erfuhr und sogar sein „Kombiniertes System“ vorschlug, „indem ich die Gasanstalt in Verbindung mit einem Elektrizitätswerk bringe und zwar dergestalt, dass ich die zur Erzeugung der Elektrizität dienenden Dynamos vermittels Gasmotoren in Betrieb setze“. Doch dies war vor einem Jahr passiert und die Berliner Firma stand nun in den Startlöchern auf der Ketziner Bühne.

Werbeveranstaltungen dieser Zeit hatten einen Show-Charakter, der einem Houdini zum Ruhm gereichen konnte und so war es kein Wunder, dass der Ketziner Bürgermeister Zesch, der Vorsteher der Stadtverordneten Köppen und Stadtrat Meisel auf die Bühne geholt wurden, um zu beobachten, wie viel Gas gebraucht wurde, um einen Liter „ganz normales kaltes Wasser“ zum Kochen zu bringen. Hochrechnungen zum Verbrauch einer ganzen Familie folgten und den Abschluss bildete ein Schaukochen, bei dem laut Ketziner Anzeiger ein hiesiger Kaufmann den Speisen so zusprach, als wenn er einige Tage nicht gegessen hätte. Der Bann war also gebrochen und dem Bau einer Gasanstalt stand nichts im Wege. Noch am selben Abend wurden Buchungen für Hausanschlüsse entgegen genommen und Verträge über Gasherde und Lampen abgeschlossen. Lindner hatte extra ein Installationsgeschäft in der Paretzer Straße Nr. 10 eröffnet. In einer Postwurfsendung an alle Haushalte empfohlen ihn die Herren Goetz und Konrad und wiesen auf die Ausstellung von Lyren, Zugarmen, Tischlampen, Kronen und Kochapparaten hin. Allein durch diese Empfehlung hatten andere Bewerber keine Chancen und für die Stadt war natürlich eine solche Verbindung vorteilhaft.

Dazu kam, dass Goetz und Konrad alles, was gas- und wasserwerkstechnisch notwendig war, im Block anboten, vom Retortenofen bis zum Gasspeicher. Auf dem Land von Gutsbesitzer Hornemann wurde von der Firma Goetz und Konrad 1899 ein Areal erworben, auf dem die Gasanstalt ihren Platz finden sollte. Es lag etwas vom Siedlungsgebiet entfernt und eventuelle Geruchsbelästigungen blieben von der Stadt fern. Mit der Stadt wurde am 21. bzw. am 31. März 1899 ein Konzessionsvertrag abgeschlossen und am Freitag, dem 26. Mai, lagen die Pläne im Rathaus aus, dass sie jeder Bürger einsehen konnte. In 25 Paragraphen hatten sich der Stadtrat und die Firma über alle Modalitäten geeinigt. So verpflichteten sich Goetz und Konrad alle Plätze und Straßen, welche durch nähere Vereinbahrung mit der Stadtverwaltung abgestimmt werden sollten, jeden zahlungsfähigen Privaten, sowie jede öffentliche und private Anstalt innerhalb der Straßen, in denen Gasrohre gelegt werden würden, mit Gaslicht zu versorgen. 

Während sich der Unternehmer verpflichtete, sämtliche Gemeindestraßen, Wege und Plätze zu nutzen, verpflichtete sich die Stadtverwaltung, selbst keine Gas- und Elektroleitungen zu verlegen, noch dritte dazu zu berechtigen. Sollte die Gasanstalt nicht am 1.12. des Jahres 1899 arbeitsfähig sein, sollten die Unternehmer für jede Woche Verzug 50,- Mark an die Stadtkasse zahlen. An diesem Tag sollten sie auch ihre 3.000,- Mark Kaution zurückerhalten, die sie bei der Stadtkasse hinterlegen mussten, falls es nicht zur Fertigstellung des Werkes käme. Auch an spätere Steuern wurde gedacht. Sollte seine Majestät auf die Idee kommen, den Gasverbrauch zu versteuern, so würden die Steuern auf den Endverbraucher umgelegt werden können. Das Recht der Königlichen Eisenbahnverwaltung, der Post sowie anderer juristischer Personen auf Erzeugung von Gas und elektrischem Licht für den eigenen Bedarf sollte vom Vertrag unberührt bleiben. Goetz und Partner räumten sich auch das Recht ein, falls es einmal in der Mark Brandenburg eine andere Energietechnik geben würde als das Gas und diese größere Vorteile bieten würde, auf diese umzusteigen. Allerdings dürften dabei den Industrienutzern, sprich den Betreibern von Gasmotoren, keine Verluste entstehen. Auch die Preise für Gasmesser wurden festgelegt. So bezahlte der Kunde von drei Flammen 40 Pfennige und der von 100 Flammen 3,30 Mark. Für Leuchtgas wurden die Preise auf 0,18 Pfennige pro Kubikmeter festgelegt und auf 0,14 für Kraft- und Heizgas. Die Prüfung der Reinheit des Gases und der Leuchtkraft stand der Stadt jederzeit frei, wenn dabei auch ein Vertreter des Unternehmens anwesend war. Hierzu musste ein Argandbrenner benutzt werden. Alle 60 Laternen der Stadt, für die die Stadt einen Preis von 2,3/4 Pfennig von der Gasanstalt bekam, mussten im Jahr 1000 Stunden leuchten. Dabei stand es der Stadt frei, festzulegen, welche nur wenig und welche viel benutzt wurde. Die städtischen Laternenanzünder wurden von der Gasanstalt übernommen. Sie waren nun dem Gaswerksleiter unterstellt und dieser trug für die Einhaltung der Leuchtzeiten, das Löschen und die Reinigung die Verantwortung. Die Verantwortung für das Gasnetz lag beim Gaswerk. Allerdings nur bis zur Gasuhr. Was da- hinter passierte, war das Problem des Kunden. Festgelegt wurde aber, dass eine Gaslieferung nur durch eine Gasuhr erfolgen konnte. Sonderpreise wurden übrigens für den Sitzungssaal der Stadtverordneten, das Büro des Bürgermeisters und das städtische Krankenhaus vereinbart. Dieser Vertrag sollte für 40 Jahre gelten. Eine Klausel besagte aber und legte auch hierfür schon alle Modalitäten und Berechnungen fest, dass nach 25 Jahren ein Erwerb der Gasanstalt und des Gasnetzes durch die Stadt möglich wäre, ansonsten verlängerte sich der bestehende Vertrag.

Aber zuerst musste die Gasanstalt gebaut werden. Die Bauausführung übernahm die heimische Firma Meissel. Als technischer Bauleiter wurde ein Herr Schacht eingestellt. Die Hausanschlüsse und der Einbau der Apparate oblag der Firma Lindner aus Nauen. Theodor Lindner selbst hatte deshalb einige Zeit seinen Wohnsitz nach Ketzin verlegt. In einem Schreiben vom 4. Januar 1899, in dem die Firma Goetz und Konrad ein Treffen mit dem Magistrat vereinbarte wurde Lindner als ihr Vertreter bezeichnet. Bis zur Inbetriebnahme des Werkes waren schon 90 Häuser mit Anschlüssen versehen worden. So scheint die gesamte Arbeit ein enormes Geschäft für die damalige Zeit gewesen zu sein. Leider wurde der Bau auch von einem Unglück überschattet, als sich beim Errichten des Gasometers, der Speichereinheit des Werkes, eine Platte vom Kranhaken löste und drei Arbeiter schwer verletzte. Einige leichtere Verletzungen wurden dem bei der Arbeit konsumierten Alkohol zugeschrieben. Am 1. Dezember 1899 fand dann die Einweihung der Anstalt statt. Man fühlte sich gewappnet für ein neues Jahrhundert. 

Man setzte auch Hoffnungen in das Gaswerk. Nachdem die Arbeit und die Zahl der bekannten Ketziner Ziegeleien zurückgegangen war, hoffte man mit diesem Angebot an Energie einen Anreiz zur Ansiedlung neuer Industrie und neuen Gewerbes zu schaffen. In den ersten Bauplänen ist nicht nur genug Raum für weitere Retortenöfen zu finden, sondern ist hier bei der Planung des Terrains auch Platz für insgesamt drei Gasometer vorgesehen. 

Allerdings kam es nie zu dieser Phase. Der erste Betriebsleiter oder Gasmeister, war wahrscheinlich G. Sander, der im Jahrbuch-der-Gaswerke-Deutschlands Jahrgang 1913/14 genannt wird, der mit Mitarbeitern die Versorgung der Stadt absicherte. Zwar fehlen Hinweise über seine Einstellung, aber über sein Ausscheiden wurde der Magistrat am 27. Dezember 1912 in Kenntnis gesetzt.

Bis 1904 betrieben die als „Zivilingenieure“ bezeichneten Bauherren das Gaswerk Ketzin als eigenständige Firma. Dann erfolgte der Verkauf an die Allgemeine Gas Aktiengesellschaft. Hierzu waren der Ingenieur Joseph Goetz und der Generaldirektor der Aktiengesellschaft Generaldirektor Carl Florin persönlich vor Justizrat Ludwig Gieseke in Magdeburg erschienen. Seit dem 1. Januar dieses Jahres wirtschaftete die Gasanstalt schon auf Rechnung der neuen Besitzerin aber erst am 25. April 1904 wurden die Verträge unterzeichnet, die den Handel rechtskräftig machten. Da die Käuferin außer dem Gaswerk und der Immobilie, den Maschinen, Werkzeugen, Kohlen und allem fassbaren auch die „Concession“ übernimmt, ist der Wert der Gasanstalt zwar mit 109.671,33 Mark angegeben worden, der reale Kaufpreis aber auf 145.963,08 Mark gestiegen.
Die vom Generaldirektor Florin präsentierte Firma wurde am 16. März 1857 mit einem Stammkapital von 1.041.300 Mark gegründet. 

Ziel des Unternehmens war die Erzeugung und der Absatz von Gas, elektrischem Strom und Gasmessern sowie die Verwertung von Nebenprodukten, darüber hinaus die Errichtung von Werken, Pachtung und Verpachtung und Errichtung von Anlagen jeder Art, die zur der Herstellung dieser Produkte nötig waren. Diese Firma übernahm nun das Werk in Ketzin sowie das im benachbarten Werder. Bereits im folgenden Jahr wurden Anträge an die Stadt und den Landrat zur Erweiterung der Gasanstalt gestellt. Aber im Gegensatz zum Bauantrag der Firma Goetz und Konrad, der eine spätere Erweiterung mit insgesamt 3 Gasspeichern vorsah, blieb es bei dem einen örtlichen. Man setzte mehr Hoffnung auf den Bau einer ersten Rohrgasleitung nach Paretz. Zu diesem Bau kam es zwar zu dieser Zeit noch nicht aber das Thema Ferngasleitung sollte noch häufiger die Gemüter bewegen. Der Umbau wurde wieder mit heimischen Handwerkern ausgeführt. Es wurden Umbauten am Eingangsbereich des Betriebs- und Wohnhauses vorgenommen, der Kohlebunker fast verdreifacht und an der Grenze zum verbliebenen Hornemannschen Grundstück ein Magazin, eine Werkstatt und ein Baderaum angebaut.
Anders als die Zivil-Ingenieure, die im Kleinen bauten und betrieben, war das Ziel der Aktiengesellschaft das Geschäft im großen Stil, teilweise sogar international. So hatten sie 1904 im Land Brandenburg nicht nur die Gasanstalt Ketzin gekauft, sondern auch die in Rheinsberg und Mittenwalde. 

Das Werk in Werder gehörte ihnen schon länger. Die AGAG genannte Allgemeine Gas-Actiengesellschaft hatte schon in ihrem Gründungsjahr fünf Gaswerke erbaut, diese aber schnell wieder veräußert. 1872 erwarben sie die Gasanstalten in Prenzlau, Calbe, Ratibor, Landsberg an der Warte und Lüneburg. Sie begannen also ihren Geschäftsbereich auszuweiten. Als die Entwicklung des Elektrischen Lichtes weiter voranschritt gründeten sie ihr erstes Installationsgeschäft in Magdeburg, das sowohl Gastechnik, als auch Wasser- und Stromtechnik verkaufte. International agierte die Gesellschaft in Luxemburg und Lothringen, was ihnen nach Beendigung des ersten Weltkrieges und der folgenden Inflation herbe Verluste einbrachte. Dies führte zur Zusammenarbeit mit der Deutschen Continental Gasgesellschaft in Dessau, die führend im Gas- und auch im Beteiligungsgeschäft war. Diese bot 1924 der AGAG an, deren Aktien, die durch die Kriegsverluste der ausländischen Werke und Anteile im Wert gefallen waren, im Verhältnis 6:1 zu übernehmen. Das ganze Vermögen der Magdeburger war von 42 auf 2,8 Millionen gefallen. Ein Jahr später zog die Firma nach Dessau und 1925 vereinigten sich die Gesellschaften, wobei trotzdem jede unter ihrer Firmierung weiter bestand. Ein Jahr nach Ankauf der Gasanstalt wurden schon die ersten Umbauten geplant und auch realisiert. Im großzügig geplanten Retortenraum wurde ein dritter Ofen eingebaut und der Kohlespeicher erweitert sowie ein weiterer Schwefelreiniger installiert. Hinzu kamen an der Grenze zum Nachbargrundstück ein Materiallager, eine Werkstatt und ein Waschraum.

Bereits kurz vor der Übernahme des Gaswerkes wurden Pläne für die Erweiterung des Versorgungsnetzes in Ketzin gemacht. So ist der erste Antrag hierfür bereits am 7. Mai an die Kreisverwaltung gestellt worden. Gerade einmal drei Wochen vorher, am 19. April 1904, hatte der Magistrat erfahren, dass J. Goetz und Co. das Gaswerk verkauft hatten. Im Jahr 1906 folgte der Antrag zur Verlegung einer Gasleitung nach Falkenrede. Der Antrag wurde auch genehmigt, doch wurde die Leitung nicht gebaut. Auch ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich, warum dies unterlassen wurde. Erst spätere Unterlagen sprechen von einem Monopol der Brandenburgischen Elektrizitätswerke. Da die Kapazität des Gaswerkes für die neuen Aufgaben nicht mehr auszureichen schien wird 1908 ein Antrag für den Bau eines weiteren, nun vierten Retortenofens, gestellt und vom Landratsamt und der königlichen Gewerbeinspektion genehmigt. 
m Jahr 1909 teilte der Magdeburger Gesellschaftsvorstand der Gemeinde Ketzin mit, dass ab dem 15. Juli des Jahres ein Leuchtmittelsteuergesetz bestehe und dass die Stadt, da der Preis für die bisherige Lieferung des Gases für die öffentlich Beleuchtung so gering wäre, dieser pro Glühkörper in Höhe von 10 Pfennigen in den Rechnungen ab dem 1. Oktober für die Straßenbeleuchtung in Ansatz gebracht wird. Man erkundigte sich in Werder, dessen Gasanstalt auch der Magdeburger Firma gehörte und musste zur Kenntnis nehmen, dass dieser Magistrat sich weigern würde, diese Erhöhung hinzunehmen, da sie jährlich 40,00 Mark pro Gaslaterne bezahlen würden. Allerdings hatte Ketzin den Vertrag von 1899 unterzeichnet, indem in § 4 auf eventuelle Steuern hingewiesen wurde und die Pflicht der Gemeinde, diese als Kunde zu übernehmen. Ein Jahr später fand eine Inventur des Gaswerkes statt, die uns Auskunft über die Produktion und auch über Ketzin gibt. Hier wohnten im Jahr 1910 3.771 Einwohner. Im Versorgungsbereich, das heißt mit einem Gasanschluss versehen waren 285 Häuser, hinzu kamen der Bahnhof und Fabriken, die leider nicht näher bezeichnet sind. 151.545 cbm Stadtgas wurden in diesem Jahr erzeugt, wovon an die Privathaushalte mit 58,5 Tausend cbm der Hauptteil geliefert wurde. Dem folgten mit 44,9 Tausend cbm die Gasmotore, mit 11,3 Tausend cbm die Straßenbeleuchtung und mit 3.6 Tausend cbm der Bahnhof und Fabriken. Der Rest war so genanntes Kochgas, Eigenverbrauch und Schwund.
Vergast wurde 6462 Hektoliter Kohle aus England und Oberschlesien und als Nebenprodukte konnten 9.231 Hektoliter Koks, 22.615 kg Teer und 1.758 kg Ammoniakwasser gewonnen werden. Da die Gasanstalt nun auch Gasgeräte und Zubehör verkaufte erfahren wir auch etwas über die Preise jener Zeit. So kostete ein 3-Flammen-Kocher 20,00 Mark ein Kocher der Marke „Viktoria“ zwischen 11,60 Mark und 12,70 Mark, ein Plätteisen mit Erwärmer 4,00 Mark und ein Glühkörper 27 Pfennige.

War Stadtgas auch eine für ihre Zeit und ihre Bedürfnisse gut funktionierende und preiswerte Erfindung, so wurde doch das Verlangen der Bevölkerung und der Firmen jener Zeit nach elektrischer Energie immer lauter. Da die Allgemeine Gas-Aktiengesellschaft nun das Recht, selbst elektrische Energie zu erzeugen als Vertragsbestandteil von Goetz und Konrad mit erworben hatte, waren sie es auch, die sich am 25. September 1912, wahrscheinlich auf Druck des Magistrates und der Unternehmer aus Ketzin, mit den Brandenburgischen Kreis-Elektrizitätswerken in Spandau in Verbindung setzten, um die Modalitäten einer Stromversorgung für Ketzin zu klären. Beide schlossen nun eine Vereinbarung, die den Verzicht der Allgemeinen Gas AG beinhaltete, Ketzin mit elektrischer Energie zu versorgen, wofür diese, solange die Gasabgabe in Ketzin erfolgte, eine Abgabe pro Kilowattstunde erhielten, die die Spandauer Werke in das zu errichtende Energienetz einspeisen würden. Diese Abgabe betrug bei abgegebener Energie für Beleuchtungszwecke für Privatkunden 4 Pfennige pro Kilowattstunde, für öffentliche 

Beleuchtungen 2,5 Pf. und für andere Zwecke 1,5 Pfennige, wenn der Endverbraucher dafür wenigstens 16 Pfennige bezahlen musste.Die vorliegenden Personalunterlagen begannen im Folgejahr mit der Einstellung von Herrn Willibald Wieck, der vom 1.1.1913 bis zum 1.11.1914 dem Ketziner Werk vorstand. Wieck stammte aus Langenbielau, wo die Firma auch eines ihrer Gaswerke besaß. Am 27. Dezember 1912 wurde der Magistrat von seinem Dienstantritt unterrichtet und Wieck als langjähriger, zuverlässiger und als gewissenhaft bekannter Beamter vorgestellt. Herr Sander war aus den Diensten der Aktiengesellschaft ausgeschieden.
Nachdem Herr Willibald Wieck zum Lothringer Werk der Allgemeinen Gas-Aktiengesellschaft in Magdeburg versetzt wurde, übernahm am 1.11.1914 Herr Rüdiger Walter die Leitung der Gasanstalt. Er war nicht einmal zwei Jahre hier tätig, denn am 28. Februar 1916 wurde sein Anstellungsverhältnis durch die Einberufung zum Militär beendet. Schon ein Jahr vorher wurde der im Werk beschäftigte Heizer Martin Walosik zur Musterung des Landsturms einberufen. Ein ihn betreffendes Schreiben vom 20. Februar 1915, mit der Bitte um Rückstellung, lässt vermuten, dass die Arbeitsmarktsituation angespannt war und schlecht entsprechender Ersatz zu finden war, da das betreffende Schreiben nicht vom Betriebsleiter aus Ketzin sondern vom Hauptsitz der AG aus Magdeburg stammt. Als der Betriebsleiter Rüdiger Walter der Einberufung folgen musste, wurde der bisherige Gasmeister Gottfried Streithorst als Betriebsleiter eingesetzt. In einem Schreiben an den Magistrat der Stadt äußerte sich Vorstandsvorsitzender Florin: „sprechen wir die Hoffnung aus, dass es Herrn Streithorst gelingen wird, sich das Vertrauen und Wohlwollen von Magistrat und Bürgerschaft zu erwerben“. Dieser gebürtige Bremer blieb bis zum 30. April 1932 im Amt, als er mit 65 Jahren in den Ruhestand ging. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit wurde der Gaspreis erhöht. Man kann sich also vorstellen, dass er als Gasanstaltsleiter auch der Prellbock der Kunden war und er es mit dem „Wohlwollen“ der Bürgerschaft nicht einfach hatte. Aber schon im Mai des Jahres 1916 wurde der Stadtverwaltung mitgeteilt: „Infolge des Krieges sind alle Unkosten des Gaswerksbetriebes, insbesondere die Kosten der Kohlen und Arbeitslöhne auf eine nicht vorauszusehende Höhe gestiegen, während der Gasverkauf wesentlich zurückgegangen ist“. So wurden für die bis dahin bestehenden Preise von 18 Pfennigen für Leuchtzwecke und 14 Pfennigen für Heiz- und Kraftzwecke Teuerungszuschläge von 2 Pfennig pro cbm erhoben. Auch die verteuerte Kohle wurde bei der Argumentation ins Feld geführt. Dabei muss man betrachten, dass der Hauptteil der in Ketzin vergasten Kohle bis zum Kriegsbeginn aus England kam und immer weitaus preiswerter als die Kohle aus Westfahlen und Oberschlesien war. Im Jahr 1917 wurde das Stadtgas wieder teurer, da in diesem Jahr die Kohlesteuer eingeführt wurde, die sich auf den Abgabepreis niederschlug.

Der Krieg war verloren, Deutschland leistete Reparationszahlungen und das Saarland und das Ruhrgebiet, die Kohlengebiete also, waren an Frankreich gefallen. So schlug sich die Rohstoffsituation auch in einem Brief nieder, indem die Allgemeine Gas-Aktiengesellschaft im Jahr 1921 wieder einmal eine Preiserhöhung ankündigte. Ab dem 1. September wollten sie den Gaspreis erhöhen, da der Kohlepreis pro Tonne auf 410,15 Mark gestiegen war. 1919 waren es noch 72,- Mark gewesen. So musste der Gaspreis je Kubikmeter auf 200 Pfennige steigen, was wiederum bedeutete, dass eine Brennstunde für eine Flamme der Ketziner Straßenbeleuchtung inklusive der damals schon existierenden Umsatzsteuer von 1,5% 24,96 Mark kosten sollte. Die im Herbst 1923 beginnende Hyperinflation und der oben schon genannte Kriegsverlust der ausländischen Gaswerke zwangen die Allgemeine Gas-Aktiengesellschaft zur Fusion mit der in Dessau beheimateten Deutschen Continental-Gasgesellschaft. Diese erhielt am 12. März in Dessau von Herzog Leopold IV. ihre Konzession und konstituierte sich am 7. Mai des gleichen Jahres in Dessau mit einer Generalversammlung. 500.000 Taler waren das Startkapital der Gesellschaft, die zunächst ein Gaswerk in Dessau errichtete. Ein Jahr später versorgte es Dessau mit Stadtgas für die Straßenbeleuchtung. Bald folgten mehrere Dutzend Gaswerke im In- und Ausland, darunter Magdeburg, Frankfurt (Oder), Mönchengladbach, Mühlheim an der Ruhr, Warschau und Potsdam, um nur einige zu nennen. Der geistige Vater der Unternehmung war Viktor von Unruh. Er holte auch seinen Nachfolger Wilhelm von Oechelhäuser hinzu, unter dessen Regie der Siegeszug der „Conti“ ungeahnte Ausmaße annahm. Es war bis 1945 das größte Energieunternehmen Deutschlands, wenn nicht Europas. Alles, was zum Bereich Gas gehörte wurde in der 1871 gegründeten Zentralwerkstatt, von der 1872 gegründeten Berlin-Anhaltischen – Maschinenbaufabrik-AG oder den 1921 gegründeten Askania-Werken selbst hergestellt. Inklusive des seit 1886 betriebenen Elektroenergiesektors beschäftige die spätere Muttergesellschaft über 60.000 Mitarbeiter.
Mit der Fusion veränderte sich die Situation des Gaswerkes in Ketzin. Aus dem Jahr 1926 liegt uns das Protokoll einer Betriebskontrolle vom 18. März vor, das die damaligen Zustände bis ins Kleinste darstellt.
Das Protokoll beginnt mit dem Satz: „Das Werk befand sich in einem stark verwahrlosten Zustand. Auch wurde der Betrieb des Gaswerks nicht ordnungsgemäß geleitet, so daß die Betriebsergebnisse nicht besser sein können. Für die Ausbreitung des Gasverbrauches wird so gut wie nichts getan. Wenn die unbedingt nötige Besserung in der Leitung des Gaswerkes eintreten soll, wird wohl ein Meister-Wechsel vorgenommen werden müssen.“
Dann folgt die Aufzählung der vorgefundenen Mängel und Beanstandungen. So war der Zaun verfault, für die zu erbringende Gasmenge wurden zu viel Retorten benutzt, Öfen wurden beschädigt vorgefunden, es wurde kein Kohlebuch geführt, Ablauftöpfe hatten keine Abdeckung, Farbe an den Türen fehlte, ein Geländer an den Öfen sowie Abdeckungen und die Mittel zur Gaskontrolle fehlten, die Gasbehälterheizungsrohre waren verrostet, die Hähne an den Reinigerkästen ließen sich nicht bewegen und vieles mehr.
Nun wurden Maßnahmen ergriffen, die Abhilfe schaffen sollten. Hierzu kamen Handwerker aus dem Werk Nowawes nach Ketzin und der Gasmeister erhielt Auflagen. Die Führung des Kohlebuchs, das er in Werder der Betriebsleitung vorzulegen hatte, der Gasmotor musste Instand gesetzt, die Reinigerkästen gereinigt werden und vieles mehr. Insgesamt waren es vier Schreibmaschinenseiten mit Mängeln und Auflagen, die an einem Kontrolltag zusammen kamen. Besondere Aufmerksamkeit galt der Gasagitation, die nicht stattfand und die nun in ein Buch einzutragen war, das 14-tägig nach Dessau einzusenden war. Leider mussten die Kontrolleure auch dem Bürgermeister eine Absage erteilen, der sich wünschte, dass an die Gasanstalt eine Badeanstalt angeschlossen würde. Doch mussten die Prüfer feststellen, dass keine Druckleitung hierfür vorhanden wäre und auch keine Abflussmöglichkeit bestände. Das Gaswerk Ketzin und die Arbeit des Gasmeisters wurden somit unter Beobachtung aus Werder und Potsdam gestellt, was bestimmt nicht angenehm, aber auf ein Selbstverschulden zurückzuführen war.
Langsam schien eine andere Bedrohung auf die Gasanstalt zuzukommen. Am 31. Oktober 1927 verfasste der Vorsitzende des Brandenburgischen Städtebundes ein Schreiben an alle Städte des Landes, das über die ökonomische Situation in der Energiebranche Auskunft gab und das auch auf die Geschichte des Gaswerkes Ketzin Einfluss hatte. „Die Gaswerke galten bisher anerkanntermaßen als technische Einrichtungen… In der Provinz Brandenburg hat sich das Märkische Elektrizitätswerk eifrig bemüht, durch Maßnahmen, die keineswegs als einwandfrei bezeichnet werden können, für sich neben dem bereits bestehenden Monopol für die Provinzstraßen auch das Monopol für die Kreisstraßen in Anspruch zu nehmen….“ Weiter lesen wir: „Mit den zuständigen Herren des Gas- und Wasserfaches befinden wir uns in voller Übereinstimmung, dass für absehbare Zeit an die Möglichkeit der Verwirklichung einer großzügigen Provinzial-Gasfernversorgung nicht geglaubt werden kann…In weiterer Übereinstimmung mit den Herren Technikern vertreten wir aber den Standpunkt, dass die Gasfernversorgung in einzelnen Teilen der Provinz in Gruppen, wie sie bereits im Werden ist, absolut empfehlenswert und wirtschaftlich sein kann.“ (gez. Kirsch, Bürgermeister und Vorsitzender)
1929 wandte sich auch die jetzt Dessauer Allgemeine Gas-Aktien-Gesellschaft (nach der Firmierungsänderung) heißende Betreiberin der Gasanstalt an den Magistrat und unterbreitete ihm die Vorstellungen des Konzerns, verbunden mit den ersten noch vagen Anträgen. „Betrifft Ferngasanschluß:...Wir beabsichtigen daher, die Gaserzeugungsanlage, bestehend aus den Gaserzeugungsöfen und der Reinigeranlage, baldmöglichst außer Betrieb zu setzten und Ferngas durch eine Fernleitung von einem größeren Werke unseres Konzerns zu beziehen. Die Speicheranlage (Gasbehälter) sowie die Mess- und Regleranlagen und die Heizungsanlage bleiben, wie bisher, im Betrieb. Ebenso bleibt die Verwaltung der Gasversorgung in Ketzin. Wir stellen daher hiermit den Antrag, uns zu gestatten, die Fernleitung durch städtisches Gebiet bis zu unserem Gaswerk zu verlegen und das Gaswerk an diese Fernleitung anzuschließen“.
Am 18.01.1930 machte die Gasversorgerin der Stadt einen Vorschlag über die zu erwartende Preissenkung. Die Stadt forderte, diese am 13. Juni 1931 einzuführen und ihren Vorschlägen nachzukommen, nachdem die Stadt allen Forderungen in Hinblick auf die geplante Fernversorgung nachgekommen sei. Allerdings wird am 22. Juni 1931 schon alle Hoffnung auf einen niedrigeren Gaspreis sowohl für die Stadt als auch die Kleinabnehmer zerschlagen.
„Obwohl der z.Zt. gültige Konzessionsvertrag noch bis zum Jahre 1939 läuft haben wir Ihnen außer einer Abgabe vom Erlös aus dem Gasverkauf eine Ermäßigung des Gaspreises von 26 auf 24 Reichspfennigen sogleich nach Abschluß des neuen Vertrages angeboten in der Annahme, dass diesem Vertragsabschluss der beabsichtigte Ferngasanschluss alsbald folgen könnte. Diese Vorraussetzung für die sofortige Ermäßigung ist nun hinfällig geworden, denn die Märkischen Elektrizitätswerke haben uns mitgeteilt, dass sie die Genehmigung zur Benutzung der Kreisstraße, die in einer Länge von etwa 1,2 km hinter der Kanalbrücke vor dem Ort Paretz nicht zu umgehen ist, nicht geben können“
Hier konnte aber nicht mehr von „geben können“ gesprochen werden, es war einfach das „geben wollen“. Auch der Provinz und dem Kreis waren die Hände gebunden, wie der Brief weiterhin ausführt, da diese selbst den Märkischen Elektrizitätswerken das Monopolrecht für diese Straßen einräumten. Ein Weiterbetrieb der Gasanstalt mit den 1930 in Aussicht gestellten Preisen wäre undenkbar. Es wäre schlicht der Ruin. Also wollte man die gemachte Zusage verschieben, in der Hoffnung, dass doch noch der Berg zum Propheten kommen würde. Eine Zusage, die der Stadt und den Privatkunden und Betrieben nicht weiter half. Der Brief endet mit der Verlagerung des „schwarzen Peters“ und schließt mit dem Satz: „Es würde uns interessieren zu erfahren, ob und welche Maßnahmen Sie für die Erreichung der Genehmigung zur Straßenbenutzung für unsere Fernleitung ergreifen…“
Nun wandte sich die Stadt an den Kreisausschuss in Nauen. In einem Brief vom 22. Juni 1931 erläutert sie die momentane Lage und kommt zu der Feststellung: „Diese Einstellung des M.E.W. führt zu einer schweren wirtschaftlichen Schädigung der Stadt Ketzin und ihrer Einwohnerschaft. … Wir bitten deshalb, mit dem M.E.W. unter Vorhaltung unserer Interessen über das Fallenlassen ihres Monopolrechtes auf der kurzen Strecke bei Paretz nochmals die Verhandlungen aufzunehmen“. Die Allgemeine Gas AG erhielt einen Durchschlag mit dem Hinweis, dass man wegen des Preisnachlasses noch einmal vorstellig werden würde. Der Kreisausschuss erhielt auch schon im November desselben Jahres eine Antwort der Hauptverwaltung der Märkischen Elektrizitätswerk-Aktiengesellschaft, denn die Kreisverwaltung hatte am 21. November nachgefragt. Hier schob man den „schwarzen Peter“ wieder nach Dessau. Man wollte doch von der Allgemeinen Gas-AG nur wissen, wie es sich mit der Wirtschaftlichkeit der Verbindungsleitung Ketzin-Werder stellt, hätte darauf aber keine Antwort erhalten. Am 9. Juni des Folgejahres wird dem Kreisausschuss mitgeteilt, dass bis zu diesem Termin in Berlin keine Antwort auf die Schreiben vom November `31 eingegangen war und die M.A.E. demzufolge annimmt: „dass sich die Gesellschaft z. Zt. nicht mehr für das Projekt interessiert“. Interessant ist trotzdem, dass dem Gaswerk eine Gebührenanweisung zugestellt wurde, die für die nicht gebauten Leitungen nach Paretz, Falkenrehde, Schmergow und Nauen eine Gebühr von zusammen 204,01 Reichsmark ergab.
In Ketzin blieb aber alles beim Alten. Die Produktion stagnierte nicht nur, der Bedarf ging zurück und wegen Arbeitsmangels wurden zwischen 1932 und 1939 sogar drei Arbeiter entlassen. Bis auf die Gaspreise. Diese wollte die Verwaltung in Dessau auf Grund der Kohlenpreisermäßigung ab dem 1.1.1932 auch in Ketzin senken und verbrauchsabhängig staffeln. Das hieß bei Abnahme von 1 – 50 cbm monatlich kostete der cbm 24 Pfennige konnte aber in Schritten von 2 Pfennigen und der Abnahme von über 500 cbm auf 18 Pfennige sinken.
Langsam rückte nun die Zeit heran, dass laut Vertrag von 1899, § 3 Absatz 2, die Stadt Ketzin das Recht zum Erwerb der Gasanstalt hatte. Am 2. März hatte deshalb eine Unterredung zwischen dem amtierenden Bürgermeister und Vertretern der Allgemeinen Gas-Aktien Gesellschaft stattgefunden. In diese Verhandlungen hatte der Bürgermeister eingeworfen, dass vielleicht die Nutzung einer elektrischen Straßenbeleuchtung zu prüfen wäre. Dem Vertrag nach müsste der Wille, das Werk zu erwerben dem Konzern in Dessau auch ein Jahr im Voraus mitgeteilt werden und dann müsste eine Wertermittlung stattfinden.
Diese müsste alle Gebäude, das Grundstück, sämtliche Apparate und Rohrleitungen und Zubehör sowie alle Vorräte umfassen. Auszuschließen wären alle ausstehenden Forderungen und eventuell vorhandene Schulden. Um dies zu schätzen, wäre eine Kommission aus drei Sachverständigen zu gründen, wobei jeder Partner einen eigenen, Parteiischen erwählt und ein dritter, Neutraler, von beiden Vertragespartnern zu wählen wäre, der als Obmann fungieren sollte. Diese drei hätten dann zusammen den Tageswert und aus dem Durchschnitt der Erträge der letzten 5 Jahre den Geschäftswert zu ermitteln. Wäre der Tageswert höher, so hätte er die Kaufsumme gebildet. Alle Vorräte hätten zum aktuellen Tagesmarktwert berechnet werden müssen.
Wenn nun kein Ankauf durch die Stadt erfolgen würde, würde sich der Konzessionsvertrag automatisch um 20 Jahre verlängern. Heute wissen wir, dass dies der Fall war und das Werk im Besitz der Allgemeinen Gas-AG blieb. Allerdings erloschen auch mit dem Nichtzustandekommen eines Erwerbs alle Verpflichtungen der Stadt gegenüber dem Vertragspartner. Der Magistrat konnte also die Art der Energieversorgung wählen, die ihm geeignet erschien. Aus einem späteren Brief geht hervor, dass der Magistrat Kontakte mit den Märkischen Elektrizitätswerken aufnahm, um diese für eine Übernahme des Gaswerkes zu interessieren.

Am 39. April 1932 ging nach dreißig Dienstjahren der Leiter der Gasanstalt Gottfried Streithorst in den Ruhestand und übergab seine Amtsgeschäfte am 15. März an den aus Bernburg stammenden Willy Fricke. Aus seiner Amtszeit sind uns die Instruktionen für die Gaslaternenwärter überliefert. Alle Ketziner Laternen waren in zwei Bereiche eingeteilt, die Abend- und die Nachtlaternen. Dies hieß: einige wenige brannten die ganze Nacht hindurch, während andere, wenn der Mensch im Bett zu liegen hat, wieder gelöscht wurden. In der Zeit von 12.30 Uhr bis zum Anzünden wurden die Lampen gereinigt und dies in der Reihenfolge in der sie auch abends entzündet werden sollten. Dem Laternenwärter wurde auch ein Hilfslaternenwärter genehmigt. Es gab auch einen Brennkalender, in dem entsprechend der Jahreszeit die Stunde zum Entzünden und Löschen der Laternen festgelegt war. Den Zeiten dieses Kalenders nach hatten die Laternen 15 Minuten vorher zu brennen und waren spätestens 45 Minuten nach ihrer beschlossenen Leuchtzeit zu löschen. Für diese Arbeit wurden dem Laternenwärter monatlich 42,50 Reichsmark gezahlt. Sonderregelungen gab es natürlich im Brand- und Katastrophenfall. Dann mussten alle benötigten Laternen umgehend entzündet werden und der Leiter der Ketziner Feuerwehr war dem Laternenanzünder weisungsberechtigt. Einer Krankenvertretung wurden am Tag 2,40 Reichsmark gezahlt. Wenn es aber zu Unregelmäßigkeiten kam, das heißt für jede Lampe, die nicht richtig geputzt war, nicht richtig bezeichnet, zu viel oder zu wenig brannte bzw. 5 Minuten zu lange oder die zu früh entzündet wurde, konnten dem Laternenanzünder 10 Pfennige vom Lohn abgezogen werden. Da konnte man nur hoffen, dass er nie einen schlechten Tag hatte.

Aus dem ersten Kriegsjahr liegt uns eine Werteinschätzung zur Feuerversicherung vor, die den Wert der Gasanstalt auf 104.300 Reichsmark festlegt, die sich aus 39.000,- RM für das Gebäude, 56.250,- RM für die Einrichtung, 8.000,- RM für das Material und 1.050,- RM für Aufräumungsarbeiten im Schadensfall zusammensetzt. Aus diesem Schreiben geht hervor, dass die Beleuchtung, wie nicht anders zu erwarten, durch Gas betrieben wird, das Werk aber auch über einen Elektroanschluss verfügte. Das Füllen der Retorten fand nun nämlich nicht mehr von Hand, sondern über einen Beschickungsmechanismus statt. Auch der Gassauger war mit einem Elektromotor versehen worden. Leider können wir nicht sagen, ob schon ein elektrisches Kaloriemeter den Gaswert bestimmte oder das so genannte Flammbild, also das Betrachten einer offnen Flamme, zur Brennwertbestimmung herangezogen wurde. Im Jahr 1938 schien es zwischen der Stadtverwaltung und der Gaswerksbetreiberin anscheinend zu Diskrepanzen gekommen zu sein. Dies lässt ein Brief vermuten, den die Märkische Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft am 14. Juni an den Bürgermeister schickte. Hierin nahm die Betriebsdirektion Spandau auf ein Schreiben vom 8. des Monats Bezug und teilte der Stadtverwaltung mit, dass sie an einer Übernahme des Gaswerkes Ketzin nach Verhandlungen mit ihrer Hauptverwaltung kein Interesse hätte. Auch könnten sie einer Kostenübernahme für einen von der Stadt bestellten Sachverständigen nicht zustimmen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse, die zur Zeit herrschten, ließen eine Übernahme des Gaswerkes auch nicht zu. Aus heutiger Sicht erscheint der Brief etwas verspätet, da die Besitzverhältnisse schon geklärt waren. War es vielleicht ein Versuch, den verlorenen Einfluss auf die Anstalt wieder zu gewinnen ?
Im Jahr 1939 wurde von der Stadt Ketzin der Ausbau der Feldstraße beschlossen. Um den Anliegerbeitrag abzudecken wurden der Stadt Steuergutscheine im Wert von 1.400,- Reichsmark übergeben, die später einzulösen waren. Wie sich der beginnende Krieg auf das Gaswerk niederschlug ist nur begrenzt nachzuvollziehen, da die Anzahl erhaltener Belege sehr gering ist. Eine überlieferte Jahresstatistik aus dem Jahr belegt, dass 103.085 cbm Stadtgas, 251.190 Tonnen Koks und 16, 6 Tonnen Teer produziert wurden. Am 15. Mai des Jahres wurde per Reichsgesetzblatt eine Verordnung über allgemeine Tarife für Gas erlassen. Damit wurde eine Obergrenze von 24 Reichspfennigen für die 1. Zone festgelegt. Die dritte Zone bezahlte für den Kubikmeter nur 10 Pfennige. In einer Postwurfsendung wurden die Ketziner hierüber informiert und eine Beispielrechnung erklärte den Schritt, der in fast allen Fällen eine Ersparnis von ca. 20,00 Reichsmark im Jahr erbrachte. Trotzdem stagnierte der Gasverbrauch, was dazu führte, dass zwei Arbeiter auf Grund der wenigen Arbeit das Gaswerk verließen, einer ging zum Reichsarbeitsdienst und einer wurde wegen des Diebstahls von Kohlen entlassen.
Da es kaum Unterlagen aus dieser Ketziner Zeit gibt, sei hier das Protokoll einer Sitzung der Arbeitsgruppe West des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmänner e.V. vom 11. Oktober 1940 herangezogen, das die Situation in den Gaswerken widerspiegelt. Hauptthemen waren die Ermittlungen über die Besserstellung von Gasabnehmern nach dem neuen Tarif, die Einführung einer Gaskartei, die den Verbrauch je Kunde ausweisen sollte, neue Tarife für Gasarbeiter und der herrschende Personalmangel, der bei den Nichteingezogenen Doppel- und Mehrfacharbeit mit sich brächte.
Die Ergebnisse des Gastarifes mussten alle dem Reichskommissar für Preisbildung mitgeteilt werden. Aus den Diskussionsbeiträgen erfahren wir, dass „Gefolgschaftsmitglieder“ Gas verbilligt, teilweise zum Selbstkostenpreis, erhielten und eine Werbeveranstaltung mit 500 Besucherinnen zum Verkauf von 100 Gaswaschmaschinen führte. Es war immer noch üblich, dass die Gasgeräte von den Gaswerken verkauft oder vermietet wurden. Auch die Lieferschwierigkeiten von Gasgeräten spielte eine Rolle, deren Produktion durch die von kriegswichtigen Gütern eingeschränkt war. Ebenfalls spielte der Konkurrenzkampf zwischen Gas- und Elektroindustrie eine Rolle, da für Gasgeräte so genannte Kennziffern benötigt wurden, die „Elektriker“ dagegen Möglichkeiten hatten, Geräte und Anlagen dem Kunden kostenlos zur Verfügung zu stellen. Also galt jetzt die Devise, zur Verbreitung des Stadtgases mit Bauherren und Architekten Kontakte zu knüpfen und denen beim Entwurf ihrer Bauten schon die Vorteile der Stadtgasversorgung zu erklären. Die von einigen Diskussionsteilnehmern angesprochene Frage nach der Sicherheit der Kohleversorgung beantwortete Oberingenieur Windel, der wissen wollte, dass der Reichskohlenkommissar bemüht ist, den Bedarf der Gaswerke restlos sicherzustellen. Ansonsten sei aber an Kohle zu sparen wo immer es geht. Er teilte auch mit, dass man an entsprechenden Staats- und sonstigen Behörden der Gasversorgung wesentlich geneigter gegenübersteht als vor dem Krieg. Abschließend blieb noch die Frage offen, ob bei Fliegeralarm die Retorten weiterhin beschickt werden sollten oder nicht, da dies teils verboten andernorts aber erlaubt war. Auf jeden Fall würde das Gas beim nächsten Schichtbeginn fehlen.
Dieser kleine Exkurs sollte genügen, da man annehmen kann, dass mehr oder weniger alle angeschnittenen Probleme der anwesenden Gaswerksvertreter auch auf Ketzin zutrafen.

Ob für die zum Kriegsdienst eingezogenen Gaswerksmitarbeiter Kriegsgefangene aus dem Lager im späteren Ortsteil Falkenrehde eingesetzt wurden, kann in Ketzin nicht nachgewiesen werden, aber selbst in kleineren Gasanstalten der Provinz Brandenburg, wie zum Beispiel Neustadt (Dosse) war dies der Fall und in Cottbus lag die Zahl derer sogar über Einhundert.
Von Glück kann Ketzin sprechen, dass das Gaswerk nicht durch Bombenbewurf getroffen wurde, wie dies zum Beispiel in Wittstock der Fall war. Selbst ein so kleiner Gasspeicher konnte in diesem Fall eine katastrophale Wirkung erzielen. Aus diesem Jahr, 1940, ist auch ein Antrag des Gaswerkes an das Finanzamt in
Nauen erhalten, in dem die Erstattung von 425,37 Reichsmark beantragt wurde. Sie waren für die Herrichtung eines Luftschutzraumes in der Gasanstalt ausgegeben worden.

1942 wurden Mitarbeiter zur Wehrmacht eingezogen. So wandte sich der Betriebsleiter an das Gewerbeaufsichtsamt in Neuruppin. Der auf Grund der Kohlenbewirtschaftung der Privathaushalte angestiegene Bedarf an Stadtgas hatte zu einer so starken Nachfrage geführt, dass die vor neun Jahren abgeschaffte dritte Schicht wieder eingeführt werden musste. Diese Forderung des Gasmeisters, der sonst, weil er im Gaswerk wohnte die letzte Füllung der Retorten für die Frühschicht vorbereitet hatte, hatte das Landratsamt und das Arbeitsamt Nauen nach Neuruppin verwiesen. Nun stand aber der Meister Fricke selbst schon im 62. Lebensjahr. Er sollte nun schon wieder um 3.oo Uhr aufstehen, um die Retorten für den Frühbedarf anzuheizen. Ein Mitarbeiter lehnte diese dritte Schicht ab, weil es nichts zu Essen gab. Da sollte nun ein weiterer Feuermann eingestellt werden. Die Steigerung des verkauften Gases ging in diesem Jahr auf 133.888 cbm gegenüber dem Vorjahr mit einer Produktionsmenge von 118.503 cbm. Obwohl die uns vorliegenden Informationen aus der Zeit nicht sehr umfangreich sind, fällt doch ein Fall aus dem Jahr 1944 ins Auge. Das Gaswerk war auf Grund der immer schwerer werdenden Belieferung mit Steinkohle und der Einschränkung „nicht Kriegs entscheidend“ zu sein gezwungen, die Produktion einzuschränken. So war es nicht verwunderlich, dass die Verbraucher Beschwerden einreichten. Die komplett auf Gasnutzung ausgelegte Wäscherei - Firma Jesko beschwerte sich nicht nur beim Leiter der Gasanstalt über die zu geringe Menge an Gas sondern auch beim Landrat, der die Beschwerde an die Stadt weiter reichte. Der Bürgermeister sollte klären, ob eine Umstellung auf eine Kohlenheizung möglich wäre.

Der Vorfall schlug solche Wellen, dass der Bürgermeister am 11. Mai einen Brief des Oberbereichsleiters der NSDAP des Kreises Havelland auf den Tisch bekam. Seine Schilderungen der Probleme der Gasversorgung bewog den Kreisleiter die Drosselung des Gasverbrauchs der Wäscherei Jesko anzuweisen. Er schrieb: „…Wenn ich in Zukunft von unseren Volksgenossen Einsparungen verlangen müsste, so ist als Vorraussetzung hierzu recht und billig, dass die Herren franz. Kriegsgefangenen und auch die große Anzahl der Fremdarbeiter der Fa. Späth freundlichst ihre Leib- und Bettwäsche allein waschen mögen und nicht diese dem Wäschereibetrieb Jesko zur Reinigung überlassen. … Ebenso wollen Sie an die Fa. Jesko verfügen, dass die L.S.- und Flakeinheiten, also unsere deutschen Wehrmachtsangehörigen, ebenfalls ihre Wäsche nicht mehr zum Betrieb Jesko abliefern dürfen.

Die Einheiten mögen entweder ihre Militärreinigungseinheiten in Anspruch nehmen oder die Reinigung persönlich vornehmen. Ich möchte Sie bitten der Wäscherei J e s k o diese Auflassung schriftlich zu machen. Nach Ihrer Aktion interessiert zu erfahren, in welschem Umfange dadurch eine Einsparung an Gas eingetreten ist“. Und am 14. Juni 1944 teilte der Bürgermeister der NSDAP Osthavelland mit, dass der Gasverbrauch infolge der angeordneten Maßnahme um 60 % zurückgegangen sei.

Am 25. April 1945 eroberte die Rote Armee Ketzin und schloss damit den Ring um Berlin.
Die Stadt, die im Jahr 1934 noch 3.396 Einwohner hatte wurde zum Ziel vieler Flüchtlinge und Ende des Jahres zählte man 5.168 Menschen, die auch mit Gas versorgt werden wollten, was fast unmöglich schien. Die Gasversorgung im Gebiet der sowjetischen Besatzung war fast völlig zusammengebrochen. Leider sind keine konkreten Unterlagen zur Lage in Ketzin vorhanden, so dass man nur aus Situationen in anderen Städten Schlüsse ziehen kann. Bereits am 14. Juli 1945 erlässt General Schukow den Befehl über die Wiederherstellung der Brennstoffindustrie und der Erfassung sämtlicher Brennstoffe. Auch der Alliierte Kontrollrat reagiert auf die schwierige Situation der Brennstoffversorgung und verabschiedet das Gesetz Nr. 7 vom 30. November, indem Einschränkungen auf Grund der Kohlesituation festgelegt wurden. Deutsche Behörden und Alliierte Militärpolizei hatten jederzeit das Recht, Betriebe zu betreten und zu kontrollieren. Energieverschwendung konnte zum Prozess vor dem Militär- und Zivilgericht führen, wobei langjährige Haftstrafen ausgesprochen werden konnten. Das Schicksal des Ketziner Gaswerks sollte aber konkret vom Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 abhängen. Dort hieß es: „In praktisch kürzester Zeit ist das deutsche Wirtschaftsleben zu dezentralisieren mit dem Ziel Vernichtung der bestehenden übermäßigen Konzentration der Wirtschaftskraft…“. Die Auswirkungen waren der Befehl 124 der Sowjetischen Militäradministration und die Volksentscheide am 30.Juni 1946 in Sachsen und am 5. August in Brandenburg. Die Deutsche Continental Gasgesellschaft wurde enteignet und somit auch die Aktienanteile an der Allgemeinen Gas-Aktien-Gesellschaft. Die in Brandenburg befindlichen Gasanstalten wurden an die Gemeindeverwaltungen der Standorte übergeben. Zum 31. Dezember wurde das Werk vorübergehend stillgelegt und die Mitarbeiter des Produktionsbereiches entlassen. Kurz vor Weihnachten bekam die Gasanstalt noch eine Rechnung der Allgemeinen Gas-AG über 33,5 Tonnen im Jahr 1944 gelieferte Nuss-Mischkohle. Irgendwie schien noch nirgends Klarheit zu bestehen, denn die Nauener Vertretung der Provinzial Versicherungsanstalt Brandenburg schloss mit der Deutschen Continental-Gasgesellschaft noch am 14. Mai 1947 eine Feuerversicherung für das Gaswerk Ketzin über die eventuelle Schadenssumme von 141.000,00 Reichsmark ab. Dieser Vertrag galt bis zum 31. Dezember des Jahres 1955. Erst im Laufe des Jahres 1948 ging das Gaswerk mit allen Formalitäten in das Eigentum der Stadt Ketzin über. Eine Besichtigung des Werkes hatte ergeben, dass der Gasspeicher schadhaft war. Das Werk wurde für die Monate Februar und März wieder stillgelegt. Die Firma BAMAG-Meguin, eine in Leipzig beheimatete Tochterfirma der Berlin-Anhaltischen-Maschinenbau-AG und der Firma Pintsch, erklärte sich bereit, den Gasometer bei Beschaffung von Blech, Elektroden und Schweißgas für 4.200,00 Mark zu reparieren. Ob dieser Schaden aus Gefechten um Ketzin stammte und das Gaswerk so lange still stand ist leider nicht aus vorliegenden Unterlagen oder mündlichen Überlieferungen ersichtlich. Auf jeden Fall ist nun das überlieferte Gerücht zu verstehen, dass die Stadtverwaltung kein Interesse an der Übernahme gehabt hätte.

Am 8. März 1949 wurde der Rat der Stadt Ketzin aufgefordert, ein Kommunalwirtschaftliches Unternehmen zu gründen, in das alle Wirtschaftsbetriebe und Liegenschaften der Gemeinde zu überführen seien.

Hierauf erfragte der damalige Bürgermeister Reckling, ob das Gaswerk, dessen Rechtsträger nun die Stadt sei, auch unter dies neue Gesetz fällt. Bereits am 10. März geht ein Schreiben in Ketzin ein, das klarstellt, dass das Gaswerk zu diesen zu vereinnahmenden Betrieben gehört. Bereits im Mai wollte die Revisions- und Treuhandanstalt für die sowjetisch besetzte Zone wissen, wie weit die Gründung des KWU fortgeschritten sei.

Am 27. Mai 1949 wählte die Gemeindeverwaltung einen sechs Personen umfassenden Verwaltungsrat, der sich am 30. des Monats konstituierte und den bewährten Betriebsleiter des Gaswerks Willy Fricke zu seinem Vorstand wählte. Fricke war zwar nun schon im 69. Lebensjahr, sollte aber noch einige Zeit Leiter der Gaswerks und Vorstand bleiben. Im September beschließt man den 4-er Retortenofen, der seit 20 Jahren außer Betrieb war, zu sanieren und wieder in Gebrauch zu nehmen. Die Deutsche Ofenbaugesellschaft Leipzig erklärte sich zur Durchführung bereit, wenn Material und Freigaben vom Werk aus geklärt worden wären.Dann kämen nur Kosten von 3.900,00 Mark an Löhnen auf die Ketziner zu.
Nach der Besichtigung des Ofens durch Leipziger Fachleute kam es 1951 zu einem Kostenvoranschlag von insgesamt 20.000,00 Mark. 

Derweil waren am 18. September 1950 vom Amt für Arbeitsmarkt und Sozialfürsorge und am 6. August 1951 von der Abteilung Aufbau des Rates des Kreises Nauen die Genehmigung zum Betrieb des Gaswerks erteilt worden. Für einen Umbau und die Reparatur des Ofens wurden in diesem Jahr speziell Hilfsarbeiter eingestellt. Am 8. Mai wurde der neue 4-er Ofen in Betrieb genommen.

Die Situation der Arbeiter hatte sich in den letzten Jahren auch verändert. Waren die langjährigen Mitarbeiter nun langsam in Rente gegangen so herrschte nach dem Krieg eine sehr starke Fluktuation und oft muss man im Beschäftigungsnachweis lesen, dass die Mitarbeiter nicht geeignet waren oder die Arbeit zu schwer für sie war. Nach der Reparatur des 4- er - Ofens wurde auch eine elektrische Beschickungsvorrichtung installiert, die die Handarbeit weitestgehend ablöste. In diesem Jahr wurde der erste Betriebskollektivvertrag abgeschlossen, der die Organisation der Arbeit, die Lebensbedingungen, die Festsetzung von Arbeitsnormen sowie die soziale und kulturelle Betreuung der Mitarbeiter festlegte. Aus ihm gehen auch die Lohngruppen hervor, die von der „1“ mit 72 Pfennigen bis zur „8“ mit 1,42 Mark reichten. Nun ging der Betriebsleiter Fricke im Alter von 71 Lebensjahren in den Ruhestand.
Sein Nachfolger wurde der aus Magdeburg stammende Gustav Stanzeit. Dieser war nun ab dem 15. November 1951 Betriebsleiter, blieb aber nur bis zum 12. Januar des Jahres 1953 im Amt.

Am 1. Juni dieses Jahres wandte sich der neu gegründete Volkseigene Betrieb Energieverteilung Falkensee an den Rat der Stadt zwecks Übernahme der Gasversorgung und Übertragung des Grundstücks. Am 3. Juli erklärt der Stadtrat seine Zustimmung zur Übertragung der Rechtsträgerschaft an die Verwaltung volkseigener Betriebe in Berlin. Wenn auch die Übernahme schnell vor sich ging, hielt der Schriftverkehr um die Zustimmung des Rates des Kreises Nauen noch bis zum April des Folgejahres an. Nachdem Gustav Stanzeit vom VEB Energieverteilung Falkensee als Betriebsleiter abgelöst wurde übernahm Herr Otto Zander am 10. Februar 1953 die Leitung des Betriebes.
1954 wurden auf Anweisung des Staatssekretariates Kohle und Energie Betriebskarten angelegt. Daraus geht hervor, dass die zwei 3-er Retortenöfen beschädigt, aber immer noch im Einsatz waren. Ketzin verbrauchte jetzt im Durchschnitt 19.000 cbm Stadtgas, das an 540 Gasabnehmer ging von denen 500 Haushalte waren. Zu dieser Zeit lebten noch 4.900 Menschen in Ketzin. Im Gaswerk arbeiteten 3 Ofenarbeiter und ein Schlosser im Bereich Gaserzeugung, ein Schlosser in der Verteilung sowie 

1 Techniker und eine Bürokraft mit einer Hilfskraft in der Verwaltung. Der Plan des Jahres 1955 sah vor, 360.000 cbm Stadtgas zu produzieren, wovon 351.000 cbm auch hergestellt wurden. Bei der Koksproduktion wurden 79,8 % und beim Teer 86,1 % des Planes erfüllt. Bei den desolaten Zuständen der beiden Öfen ein doch hervorragendes Ergebnis. Erst aus dem ersten Halbjahr 1959 liegen uns weitere Zahlen vor. Dort hatten die wenigen Beschäftigten fast ähnliche Ergebnisse, nämlich 184.000 cbm Steinkohlengas, 329 Tonnen Koks und 17,1 Tonnen Teer produziert. Zu dieser Zeit war eigentlich jedem Gaswerker klar, dass die Zeit der so genannten „Inselgaswerke“ sich dem Ende näherte.
Aus der, nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland, fast rohstofflos dastehenden sowjetisch besetzten Zone hatte sich die DDR gegründet, die keine Steinkohlevorkommen auf ihrem Territorium hatte, dafür damals endlos scheinende Ressourcen an Braunkohle. Steinkohlenkoks wurde aber gebraucht zum Aufbau einer Stahlindustrie, die im Agrarland nicht vorhanden war. Auf der Suche nach adäquaten Möglichkeiten wurde der Braunkohlenhochtemperaturkoks erfunden und 1951 begann man mit dem Bau der Großkokerei Lauchhammer. Der positive Nebeneffekt war die Braunkohlengasgewinnung. Die dabei entstandenen Gasmengen galt es zu nutzen. Die Pläne der Ferngasversorgung kamen nun wieder auf den Tisch. Allerdings in weit größerem Maß als die 1927 geplante Vernetzung, in die Ketzin mit eingegliedert werden sollte. 1957 ging das sehr schwefelhaltige Lauchhammergas ans Netz. Ein Jahr zuvor (1956) begann der Aufbau des Kombinates „Schwarze Pumpe“. Auf der größten Baustelle der DDR sollte das größte Druckgaswerk der Welt entstehen. Parallel wurde mit dem Aufbau eines umfassenden Ferngasleitungsnetzes begonnen, das schon bestehende Vorkriegsleitungen, wie die von Salzgitter nach Berlin oder die im sächsischen Raum einschloss. Im Jahr 1959 wurde der Beschluss über den Bau eines Untergrundspeichers für Stadtgas gefasst.
Gasfachmänner und Geologen suchten gemeinsam einen Standort, den sie später unweit von Ketzin finden sollten.
Ab 1959, das Werk gehörte nun zum Energiekombinat Potsdam, Betriebsteil Falkensee, wurde trotz der geringen Beschäftigungszahl eine Brigade gegründet und der Kampf um den Titel „Brigade der sozialistischen Arbeit“ begonnen. Die Brigadebuchaufzeichnungen bringen uns weitere Einblicke in die Geschichte des Gaswerkes. So erfahren wir, dass das Planziel an Stadtgasproduktion für das Jahr am 27. Dezember erfüllt wurde. Im Folgejahr beginnt auch das Gaswerk mit der Konsumgüterproduktion, ein fast aussichtsloser Versuch, der Mangelwirtschaft entgegen zu treten, und fertigt 1000 Dachrinneneisen - außerhalb seiner Aufgabe, eigentlich Stadtgas herzustellen und das Ketziner Netz zu warten. Im Rahmen des „Nationalen Aufbauwerkes“ wird der Gasanschluss für die Oberschule Ketzin gebaut. So erfahren wir auch von einem Orkan, der am 5. 12.1960 über Ketzin hinweg fegte und zum Stromausfall führte. Der vor Jahren aus Nauen geholte Gasmotor musste nun als Notstromaggregat herhalten und die Retorten, da die Stoß- und Ladeanlage nicht funktionierte, wie vor hundert Jahren mit der Hand beschickt werden. Das am 6. Juli 1961 im Gaswerk Neustadt (Dosse) vorgefallene Unglück, dem zwei Mitarbeiter zum Opfer fielen, wird mit allen Mitarbeitern in Ketzin ausgewertet und alle Sicherheitsvorschriften überarbeitet und verschärft. 

In diesem Jahr begann der Feuermann Gerhard Hartmann eine Tätigkeit als Volkskorrespondent der „Märkischen Volksstimme“, der lokalen Zeitung. Ihm ist nicht nur die Erstellung einer Betriebschronik zu verdanken, die bis zum Ende des Werkes geführt wurde, seine aktuellen Berichte aus der Arbeitswelt des Gaswerkes erlaubten den Ketzinern auch einen Blick hinter die Mauern des Betriebes, der eigentlich immer funktionierte und den man nur bemerkte, wenn mal etwas nicht klappte und das Badewasser kalt blieb. Der Winter 1962/63 wurde von solch starken Kälteeinbrüchen gezeichnet, dass er lange Jahre als Jahrhundertwinter galt. Er stellte die Mitarbeiter des Gaswerks vor große Schwierigkeiten. 

In der regionalen Tageszeitung „Märkischen Volksstimme“ wird ein Mitarbeiter über den hohen Gasverbrauch zitiert: „Die Verbraucher fressen wohl das Gas“! Keinesfalls- aber die enormen Tiefstwerte und schlecht isolierte Fenster ließen die Leute auf Ideen kommen. Da wurde halt mit allen Flammen des Gasherdes „geheizt“. Die Produktion der Stadtgasmenge wurde immer weiter erhöht, als im hauptsächlich genutzten Ofen eine Seitenwand zusammenbrach. Nach Rücksprachen mit Ofenexperten wurde der schon gesperrte 4-er Ofen reaktiviert.

Die Witterung behinderte aber auch den Bahnverkehr und damit die Anlieferung der Steinkohle. Kurzerhand beschloss man, Zusatzstoffe in Form von alten Autoreifen zu vergasen. Überstunden wurden kaum noch erfasst, besonders bei Betriebsleiter Zander. Man musste da sein und man war da, schließlich hing eine ganze Stadt davon ab. Es ergaben sich technische Probleme, Düsen verstopften und die manuelle Verfeuerung der Altreifen, die aus Brieselang geliefert wurden, gefährdete den Feuermann. Kurzerhand konstruierte und baute der Leiter des Betriebes eine spezielle Lademulde und ein Zerkleinerungsgerät für Altreifen. Da die Mitarbeiter nach dieser wochenlangen Belastung total überfordert waren, kamen Mitarbeiter des VEB Anlagenbau zur Unterstützung. Aber auch das Leitungsnetz zeigte Probleme. Der Frost führte zu Rohrleitungsbrüchen und das durch die Gummireifen angereicherte Gas führte nun Stoffe mit, die zu Verstopfungen führen konnten. Die oberste Betriebsleitung rief in dieser schweren Zeit zu einem Sonderwettbewerb gegen die Kälte auf. Eine makabre Vorstellung, wie uns heute scheint, aber die Ketziner erhielten Auszeichnungen für drei Tage, an denen sie besondere Leistungen zeigten. 1962 wird das Gaswerk als „Bester Meisterbereich“ ausgezeichnet. Rings um Ketzin liefen andere Bereiche der Gasversorgung auf Hochtouren. 1965 wurde auf dem Gelände des Gaswerks die Reglerstation für das zu erwartende Gas aus Schwarze Pumpe und Lauchhammer errichtet, das hier in einen geeigneten Druckzustand für die Hausversorgung gebracht werden musste. Die Zuleitung vom Knotenpunkt der Ferngasleitung zum Gaswerk musste teilweise durch die Stadt gelegt werden. Nach kurzen Probeläufen wurde am 1. Oktober 1965 der im Fachbereich „Schieber“ genannte Hahn geöffnet und Ferngas strömte zu den Ketziner Verbrauchern. Ein Flackern der Flamme und ein Erlöschen der Gamat-Heizung sollte es nun nicht mehr geben. Wahrscheinlich ein schwerer seelischer Moment für die Mitarbeiter des Gaswerkes - unter ihnen altgediente „Gasianer“ aber auch junge Menschen, die als erste den neuen Beruf des Gaswerksfacharbeiters erlernten. Alle Mitarbeiter erhielten das Angebot, im Meisterbereich des Ferngasnetzes weiter zu arbeiten. Unter ihnen auch Peter Streithorst, der nach seiner Armeezeit wieder im Gaswerk anfing. Er war in seiner Familie die dritte Generation, die in der Gasanstalt ihr Brot verdiente.

Am 19. Oktober 1965 gab es eine Feierstunde für die Mitarbeiter und geladene Gäste. Es wurde vielmals Dank gesagt und es wurde ausgezeichnet aber es wurde auch ein kleiner Rückblick auf das Werk gezogen. Schade, dass der damalige Bürgermeister von der Allgemeinen Gas-AG als Erbauer der Gasanstalt sprach und nicht von Goetz und Konrad, denn ansonsten war seine Rede eine Würdigung der Menschen, die die Gasanstalt mit Leben erfüllten und ein Stück Technikgeschichte mitschrieben. Einer Geschichte, die mit einem kleinen Gasofen und einer Laterne vor 200 Jahren in Freiberg in Sachsen begann.

Durch den Neuerwerber Herrn René Dost ist der Umbau zu einer Veranstaltungsstätte geplant. Das letzte Gaslicht ging in Ketzin übrigens erst 1971 in der „Gaststätte am Markt“ aus. Solange existierten hier Gaslampen. Allerdings musste der Wirt Dietmar Herzog die benötigten Auer-Glühstrümpfe aus Westberlin beziehen.

1965 – 2009
Die Versorgung der Bürger und Betriebe Ketzins fand nun nach der Stilllegung der „Gasanstalt“ auf einem anderen Niveau statt. Otto Zander wechselte zum VEB Verbundnetz Gas, der auf dem Gelände des Werkes einen Stützpunkt des Gasbetriebes Nord, Ingenieurbereich Königswusterhausen, den Meisterbereich Ketzin auf-baute. Sein Wirkungsbereich umfasste etwas mehr als den halben damaligen Bezirk Potsdam.
Das Gebäude der ehemaligen Gasanstalt wurde entkernt, die alte Technik verschrottet und auch das Sinnbild der Stadtgasversorgung, der Gasspeicher oder Gasometer, fiel dem Schweißbrenner zum Opfer. Aber auch das neue Rohrnetz musste gewartet werden. Am 1.10.1965 übernahm Peter Streithorst die Stelle eines Rohrnetzmeisters im Betriebsteil Falkensee der Energieversorgung Potsdam. Ihm zur Seite standen vier Kollegen aus dem ehemaligen Gaswerk als so genannte Rohrnetzhelfer. Ihre Aufgaben umfassten sowohl die Fertigung von Neuanschlüssen als auch die ständige Kontrolle und Suche nach Lecks und Schäden im nun weit aus größeren Rohrsystem. Am 1.10.1969 veränderte sich die Struktur der Energieversorgung in der DDR mit der Bildung der ersten Kombinate. Aus den bisherigen, auf Bezirksebene geleiteten Versorgungsbetrieben Potsdam, Magdeburg und Frankfurt/Oder, wurde das Energiekombinat Mitte geschaffen. Der bis dahin vorgesetzte Betriebsteil Gas Falkensee wurde aufgelöst und der Meisterbereich Ketzin, dem Peter Streithorst bis dahin vorstand, wurde dem Betriebsteil Neuruppin zugeordnet. Der Sitz der Verwaltung war auf dem Betriebsgelände des Gaswerkes Neuruppin, das noch bis 1972 nach altbewährter Methode Stadtgas produzieren sollte. Acht Jahre später, am 1. Januar 1980, wurde dieser Versuch der Energiepolitik wieder revidiert und jeder Bezirk erhielt seine eigenen Kombinate, in denen die Strom- und Gasversorgung gemeinsam geleitet wurde. Nach der Wende im Jahr 1989 vollzog sich auch eine Veränderung in der Struktur der Energieversorgung. Das Energiekombinat Potsdam wurde aufgelöst. Aus dem Bestand heraus gründete sich die Märkische-Energieversorgungs-AG MEVAG, die sich vom Bereich der Gasversorgung trennen wollte. Am 1. Juni 1991 gründete sich so die EMB Erdgas Mark Brandenburg GmbH, die diesen Altbestand aber auch die Altlasten übernahm. Derer gab es auf den Betriebsgeländen der nun schon geschlossenen Gaswerke genug. Die Gründer der EMB waren die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen, die Westfälische Ferngasgesellschaft und die Gaz de France Deutschland.
Im gleichen Jahr schlossen sich 42 Städte und Gemeinden, darunter die Stadt Ketzin, zusammen und gründeten die Havelländische Stadtwerke GmbH, kurz HSW genannt. Diese schloss mit der Stadt Ketzin einen Konzessionsvertrag (fast so wie vor Hundert Jahren die Herren Goetz und Conrad) über die Versorgung mit Erdgas ab, denn mit einer baldigen Umstellung auf eine Erdgasversorgung durch die EMB, denen das Rohrnetz gehörte, war nicht zu rechnen. Da für den Handel mit Gas nicht nur Kaufleute gebraucht wurden sondern der Gesetzgeber auch Gastechniker vorschrieb, übernahm der Oberingenieur, Diplom-Ingenieur Georg Franke aus Ketzin als erster die Aufgaben der gastechnischen Betriebsleitung. Die Havelländer machten schnell Nägel mit Köpfen. Sofort begannen die Planungsarbeiten für die Umstellung auf eine Versorgung mit Erdgas und im November 1992 erfolgte der Einbau eines Trennschiebers in Ketzin ohne das Wissen und die Zustimmung der Erdgas Mark Brandenburg. Am 30. des Monats wurden von der Verteilerstation Paretz aus die Leitungen in Paretz und in Ketzin bis zur Potsdamer Straße – Ecke Breitscheidstraße mit Erdgas gefüllt. Die andere Hälfte des Rohrnetzes wurde noch mit Stadtgas über die Ketziner Reglerstation auf dem alten Gaswerksgelände versorgt. Dessen Umstellung erfolgte dann am 6. Dezember. Am ersten dieses Monats war übrigens Herr Streithorst zu den Havelländische Stadtwerke GmbH gewechselt. Er blieb also seinem Versorgungsgebiet treu. Mit Unterstützung des Freiberger Brennstoffinstitutes war die Umstellung auf den neuen Energieträger vorbereitet worden, die nun von insgesamt sieben Firmen in kürzester Zeit realisiert wurde. Im Frühjahr des Folgejahres wurde der Meisterbereich Ketzin erweitert. Nun gehörten auch die Gemeinden Eiche, Golm, Leest und Teile von Wilhelmshorst dazu, Leitungsnetze mit den alten Stahlrohren, die überbaut werden mussten. Dann schritt die Erweiterung des Netzes mit den modernen PE-Hochdruck-Leitungen im nördlichen Versorgungsgebiet der HSW voran und Marquardt, Paaren, Wuplitz, Tremmen, der Ketziner Ortsteil Brückenkopf und Paretz-Hof wurden erschlossen. Von der Wasserversorgung trennte sich die Havelländische Stadtwerke GmbH im Jahr 1994, dem Jahr ihrer Privatisierung. Heute gehören die Geschäftsanteile der Erdgas Mark Brandenburg GmbH, den Verbundnetz Gas-AG – Töchtern VNG - Erdgascommerz GmbH, Leipzig und VNG - Direkt GmbH, Leipzig sowie der Stadt Beelitz und den Gemeinden Borkheide, Kloster Lehnin und Linthe.
1996 erfolgte die Erweiterung der Versorgung mit dem zweiten Standbein des Unternehmens, dem Absatz von leitungsgebundenem Flüssiggas. Damit wurden die Orte Quermathen, Groß- und Klein Behnitz, Ribbeck, Grebs, Prützke und Nahmitz in die Versorgung mit einbezogen. Das dritte Standbein bildet seit dem Jahr 2002 der Betrieb von Erdgastankstellen, der in diesem Jahr mit dem Bau der ersten Tankstelle in Treuenbrietzen eingeleitet wurde. Zu dieser Zeit arbeitete der Gasmeister Streithorst schon im Rahmen einer Vorruhestandsregelung. Ihm ist zu verdanken, dass noch einige Unterlagen aus dem „alten Gaswerk Ketzin“ dem Museum der Stadt übergeben und damit der Nachwelt erhalten wurden. Inzwischen wurden cirka 24.000 Haushalte in Ketzin und dem Havelland mit Erdgas aus Russland, Norwegen, Großbritannien, Dänemark und auch Teilen Deutschlands versorgt. 2007 ist das Gasnetz der Havelländische Stadtwerke GmbH im Rahmen der Liberalisierung des europäischen Erdgasmarktes an die Netzgesellschaft Berlin Brandenburg mbH & Co. KG verpachtet worden. Im Januar 2008 ging die HSW über ihre bisherigen Grenzen hinaus. Seit dem bietet sie auch Kunden außerhalb ihres bisherigen Grundversorgungsgebietes die Möglichkeit, Gas von ihr zu erwerben. Der Zeit angepasst und kundenfreundlich bietet sie die Möglichkeit, von der Couch aus per Internet für Haushalte und Kleingewerbe, deren Energiebedarf abzusichern. Wieder sind es „Wärme und Licht“, die aus dem Erdgas gewonnen werden und wofür heute die Havelländische Stadtwerke GmbH und ihre Partner garantieren. Zwei Worte, die vor 110 Jahren die Bürger von Ketzin bewogen, ihr Vertrauen in das neue Medium Stadtgas zu setzen und dem Bau einer Gasanstalt zuzustimmen. Auch wenn heute Nachrichten, Fernsehbilder und auch das Gas aus aller Welt im Millisekundentakt in unsere Haushalte strömen, sollte man ruhig einmal die Zeit finden, an die Anfänge so mancher heutigen Selbstverständlichkeit zu denken und an die Menschen, die diese Selbstverständlichkeiten möglich machten. Einige wohnen vielleicht heute noch in Ihrer Nachbarschaft.

Kyritz/ Ketzin, den 6.Juni 2009

Quellenangaben:
Chronik Gaswerk Ketzin, G.Hartmann,
Brigadebuchauszüge des Gaswerks Ketzin,
Landeshauptarchiv Potsdam BLHA, Republik 8, Ketzin Nr. 281
KWU-Angelegenheiten, Archiv der Stadt Ketzin
Landeshauptarchiv Sachsen Anhalt, Abt. Magdeburg, LHASA,MD Rep.I Allgem.Gas-AG (Agag) Magdeburg MD I 20, Nr.9;
LHSA,MD I 20, Nr. 9, Nr.54, Bl.24, Nr.9,Bl.21, LHASA,MD,I 20, Nr.9, Bl.12
Die Entwicklung der Stadtgaserzeugung in Ostdeutschland nach dem II. Weltkrieg und Beginn der Untergrundgasspeicherung mit dem Bau des UGS Ketzin, G.Franke, Ketzin 2008,
Technisches Denkmal Gaswerk Neustadt (Dosse) 1903 – 1978, Hans-Joachim Wallert, Kyritz
Gaswerke im Land Brandenburg, Hans-Joachim Wallert, Urschrift Kyritz 2007,
Abschriften aus dem Archiv des Energiekombinates Mitte, Potsdam,
Vom Gas zum Licht, R. Karlsch, Leipzig 2008
Fritz Hummel, Chronik der Stadt Ketzin, Ketzin
Bildnachweis:
G. Franke 1, Gerhard Hartmann 2, W. Kürschner 3,
Unbekannt 3, Leider waren trotz aller Bemühungen nicht alle Quellen der Aufnahmen recherchierbar.
Grafiken: Hans-Joachim Wallert,
Fachberatung: Dipl.-Chem. Hans Werner, Ketzin
Copyright © Franke – Wallert
Ketzin/Kyritz 2009
Kontakt Georg Franke: georgfran@aol.com                                                                     Das Buch ist im Shop erhältlich
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