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Die politische Situation in Ketzin im Jahre 1932 bis zur Machtübernahme durch Hitler am 30. Januar 1933 | |
Die soziale Zusammensetzung der Ketziner Bevölkerung war in den 20ger Jahren des vorigen Jahrhunderts durch eine relativ schwache Schicht von Gewerbetreibenden und einer großen Anzahl von Arbeitern gekennzeichnet. Die Ziegeleien hatten tausende Menschen nach Ketzin gezogen, die nach dem Niedergang der Ziegelproduktion, wenn sie in der Stadt blieben, zum überwiegenden Teil arbeitslos waren. Das Elend dieser Menschen führte dazu, dass die linken Parteien recht mitgliederstark waren und auch im Stadtparlament durch ihre Abgeordneten einen großen Einfluss besaßen. Mit der Gründung der NSDAP, die demagogisch viele Forderungen der Linken in ihrem Programm hatte und außerdem in den unteren sozialen Schichten durch ihre Übermenschentheorie ein Überlegenheitsgefühl gegen andere Rassen und Völker weckte, gewann die neue Partei auch im „roten“ Ketzin Einfluss. Sie setzte in ihren Propagandaveranstaltungen auch ehemalige Kommunisten ein, die zur SA gewechselt waren. So sprach in Ketzin im Restaurant „Schwarzer Adler“ ein SA-Mann Ehn, der in seiner Rede seinen Wechsel zur SA damit begründete, dass er nur hier seine Ideale zur Errichtung einer Herrschaft der Arbeiter verwirklichen könne. |
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Am
29. Mai 1932 wurde in Ketzin der „Deutsche Tag“ gefeiert. Ein Ketziner
Nazi schrieb dazu: „Am Sonntag stand unser Havelstädtchen unter dem
Zeichen des Hakenkreuzes. Wie haben sich doch die Zeiten gewandelt. Wer hätte
eine solche Veranstaltung vor Jahresfrist für möglich gehalten. Das Alte
stürzt, und neues Leben blüht aus den Ruinen. Ketzin war rot, Ketzin
wird deutsch.“ Die Feier fand im „Deutschen Haus“, dem heutigen
Seniorentreff der AWO, statt. Gefeiert wurde im Saal der Gaststätte, der
heutigen Turnhalle in der Rathausstrasse und im dazu gehörenden Garten. Unterstützt
wurden die Hitler-Anhänger auch durch NSDAP-Mitglieder und deren
Sympathisanten aus den umliegenden Orten und aus Berlin. Zum „Deutschen
Tag“ traf an der Havelpromenade unter wehenden Hakenkreuzfahnen ein
Dampfer aus Spandau ein. Jubelnd wurde er begrüßt. Am Stadtschuppen, der
am Hafen in Höhe des
heutigen großen Festplatzes stand, hatte die „Eiserne Front“, eine
linksgerichtete paramilitärische Organisation unter Führung des
Reichsbanners, nachts kernige Losungen gegen die NSDAP angebracht. Aber
nichts konnte die Nazis beeindrucken, der Tag war für sie ein voller
Erfolg. |
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Aus
dieser Situation heraus eskalierte die Gegnerschaft zwischen linken und
rechten Parteien immer mehr. So wurde im Wahlschen Lokal in der Paretzer
Straße 30 (heute Potsdamer Straße) ein Nazi, der das Lokal während
einer Feier der KPD besuchte, hinaus gehauen. Ein Nazitrupp wurde am
selben Tag in der Neuen Straße (heute Breitscheidstraße) mit Steinen
beworfen. Am darauf folgenden Tag wurde ein Nazi aus Etzin vor dem
Wahlschen Lokal schwer misshandelt. Die Polizei griff bei allen
politischen Streitereien nur sehr zögerlich ein. Der Ketziner Bürgermeister,
als Polizeiverwalter der Stadt, wurde auf der Stadtverordnetenversammlung
auf diese Fälle hin angesprochen. Er erwiderte, dass man der Polizei ihr
Verhalten nicht nachtragen kann, denn im Landtag werden Gesetze
vorbereitet, die alle politischen Straftaten rückwirkend amnestieren. Die
SPD-Abgeordneten drohten darauf hin an, dass sie zur Selbsthilfe greifen
werden. Wie
aufgeheizt die politische Atmosphäre in der Stadt war, zeigte die
Verhaftung von drei Kommunisten am 13. Juni 1932 und ihre Einlieferung in
das Potsdamer Gerichtsgefängnis. Sie hatten im Frühjahr 1932 in Röthehof
aus einem verschlossenen Raum 40 Pakete Sprengstoff gestohlen, um ihn bei
bevorstehenden Kämpfen verwenden zu können. Noch nach 1945 klagte einer
von ihnen, dass er von den eigenen Genossen verraten worden war.
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Die
bevorstehenden Wahlen brachten die Gemüter immer mehr in Erregung. Am 08.
Juli schlugen Hitlerjugend, Reichsbanner und Kommunisten in der Paretzer
Straße vor dem Haus Nummer 10 aufeinander ein. In der Nacht vom 30. zum
31. Juli patrouillierte die SPD nach einer Versammlung im „Deutschen
Haus“ durch die Straßen, weil die SA vernehmen ließ, dass sie in
dieser Nacht die Straßen beherrschen würde. Als die gegnerischen
Parteien auf der Etziner
(heute Nauener) Chaussee aufeinander trafen, verbarrikadierten sich die
Nazis auf dem Grundstück des Krausschen Sägewerkes, bis sie von der
Polizei befreit wurden. Die zahlreiche Anhängerschaft der KPD und SPD
wurde von der Polizei nach Ketzin zurückgeführt. Die
Kommunistische Partei, Ortsgruppe Ketzin reagierte auf alle diese
Auseinandersetzungen mit einem Zeitungsartikel, der von dem führenden
Ketziner Kommunisten Anton Caja veröffentlicht wurde, u. a. mit folgenden
Drohungen: „… denn nicht kampflos werden sich die Arbeiter Ketzins von
Nazileuten niederschlagen lassen, sondern den Kampf aufnehmen gegen den
Faschismus mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln.“ Zu den Naziführern,
die häufig in Paretz weilten und dabei mit schweren Horch-Pkw vorfuhren
schrieb er: „Dies scheinen wohl wirkliche Vertreter der Arbeiterbewegung
zu sein, die in ihrem Leben noch überhaupt keine Arbeit gesehen, vielmehr
noch getan haben; die erst der Sowjetstaat zur Arbeit erziehen wird.“ |
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