Helmut Augustiniak
Ketzin 1933

Am 30. Januar wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Schon am 01. Februar kam es in Paretz und Ketzin zu großen Demonstrationen der Kommunistischen Partei gegen die neue Regierung. Diese verliefen an diesem Tag noch ungestört. Am 03. Februar, als sich wieder eine Demonstration von 200 Personen in Ketzin gegen die Hitlerregierung formierte, wurde diese von einem Landjäger-Überfallkomando  in der Friedrichstraße „mit Hilfe des Gummiknüppels aufgelöst“.  Die SA beherrschte in der Folgezeit die Stadt.

Am 05. März 1933 fanden die Wahlen zum Reichstag, Landtag und den Kommunen statt und wurden von den Nationalsozialisten  mit allen Mitteln der Propaganda vorbereitet. Noch am Vorabend der Wahl führten die NSDAP und der „Stahlhelm“ einen Fackelzug durch und versammelten sich dann auf dem Ketziner Marktplatz, um über Lautsprecher die Rede des Reichskanzlers aus Königsberg zu hören.

Das Ergebnis der Wahlen für die drei größten Parteien in der Stadtverordnetenversammlung: NSDAP 44,8 %, SPD 23,1%, KPD 12,0 %. Die Kommunisten konnten an der Eröffnungsveranstaltung der Stadtverordnetenversammlung nicht teilnehmen, da sie schon alle interniert waren.

Der größte Teil der Ketziner Bürger sah mit der Übernahme der Macht durch die Nazis, bessere Zeiten auf sich zu kommen. Die Mehrzahl der kleinen Handwerker und Beamten wurden aktives Mitglied in der NSDAP oder anderer nationalsozialistischer Organisationen. Außer einigen Mitgliedern der SPD und KPD, sah der übrige Teil der Bevölkerung dem Geschehen desinteressiert zu.

Ein Volksfest mit riesigem propagandistischen Aufwand zum Geburtstag Hitlers war die Pflanzung der „Hitlereiche“ an der Havelpromenade. Vor einer großen Menschenmenge begann die Feier mit dem Bayrischen Defiliermarsch. Die Weiherede hielt der evangelische Pfarrer. Der Ortsgruppenführer der NSDAP leitete die Pflanzung ein und der kommissarische Bürgermeister übernahm die Eiche in Obhut und Pflege der Stadt. Mit dem Singen der „Märkischen Heide“ und des „Horst-Wessel-Liedes“ und dem Abbrennen eines riesigen Feuers endete die Kundgebung.

Eine Woche später beschloss die Stadtverordnetenversammlung die Umbenennung von Straßen: Die Neue Straße (heute Breitscheidstraße) wurde die Adolf-Hitler-Straße, die Werdersche Straße wurde die Horst-Wessel-Straße, die Paretzer Straße 1-12a und 41-50 Josef Goebbelsstraße, die Nauener Straße wurde die Hermann Göringstraße und die jetzige Havelpromenade wurde in Hindenburgufer umbenannt.

Der 1. Mai begann in der Stadt mit dem Wecken der Bevölkerung um 05.00  Uhr. Um 07.00 Uhr begann ein Marsch zum Brückenkopf. Die Kolonne reichte vom Brückenkopf bis fast zum Bahnhof. Das sind ca. 2 Kilometer. Auf der Ziegelei Jöllenbeck wurden die Reichsflaggen gehisst und danach marschierten die Wehrverbände über Etzin, Knoblauch und Paretz zum Ketziner Marktplatz. Nach Veranstaltungen auf dem Sportplatz, endete der Tag mit fröhlichem Beisammensein in den Gaststätten der Stadt.

Der Vorsitzende des Kartells der Freien Gewerkschaften in Ketzin versuchte mit einem Aufruf eine Gegendemonstration zu organisieren. Der Widerhall war gering.

Anfang Mai erreichte die Stadt Ketzin die Nachricht, dass der Reichspräsident v. Hindenburg, der Reichskanzler Adolf Hitler und der Reichsminister Dr. Josef Goebbels die ihnen angebotene Ehrenbürgerschaft der Stadt angenommen hätten.

Das nächste große Ereignis war die Sonnenwendfeier. Eine Stunde wurde durch die Stadt marschiert. Voran zwei SA-Kapellen, dahinter vor allem die Schuljugend. Der Marsch endete auf dem Sportplatz. In seiner Festrede rief ein Lehrer dazu auf, dass auf dem Weg zum Sieg alles Alte hinter sich gelassen werden muss und weiter zu kämpfen sei für Sonnenrad und Hakenkreuz. Während dieser Rede wurden marxistische Fahnen und Schriften dem Feuer übergeben.
Im Juni 1933 wurde am Kriegerdenkmal in der Nauener Straße des Vertrages von Versailles gedacht. Kurz danach wurde der 1923 demokratisch gewählte Bürgermeister Reumschüssel (SPD) in Schutzhaft genommen. Nach einigen Wochen wurde er aus dem KZ entlassen und starb 1940 in Berlin.

Schon im August 1933 warnte der Ketziner Ortsgruppenführer der NSDAP auf einer Tagung des Kampfbundes den gewerblichen Mittelstand vor dem Einkauf bei jüdischen Händlern und Lieferanten. Er versprach auch denjenigen Mittelständlern, die auf dieser Versammlung einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP stellen, diesem trotz Aufnahmesperre zu entsprechen. Der letzte in Ketzin ansässige Jude war Textilhändler und verließ bald darauf die Stadt.

Das Jahr 1933 ging damit zu Ende, dass die Führer der NS-Organisationen alle Weihnachtsfeiern absagten, um der Familie wieder den Vorrang zu geben.

Auf der letzten Stadtverordnetenversammlung des Jahres, am 28. Dezember 1933, erläuterte der kommissarische Bürgermeister u.a. die Reorganisation der Stadtverwaltung. Er gab bekannt, dass damit auch das Führerprinzip in der Verwaltung gelte.

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